Erfahrungsbericht aus Schweden: Warum gehen immer . . .
Als wir uns im Praktischen Jahr Gedanken über unseren Berufseinstieg machten, wurde uns klar, dass wir unter den in Deutschland gegebenen Bedingungen unser AiP lieber im Ausland machen wollten: Lange Arbeitszeiten, schlechte Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten und vor allem das Gefühl, den Zwängen von Chefärzten und Verwaltungsdirektoren ausgesetzt zu sein, motivierte uns, nach Alternativen zu suchen. Auch ist es als Arztpaar in Deutschland schwer, im gleichen Ort zwei passende Stellen zu finden. Schweden versprach das für uns optimale Land zu sein: Das schwedische AiP (AT = allmäntjänstgöring) ist eine Ausbildungsrotation mit sechs Monaten Innere, sechs Monaten Chirurgie, drei Monaten Psychiatrie und sechs Monaten Allgemeinmedizin in einer poliklinischen Praxis.
Uns gefiel die Idee einer breiter angelegten Ausbildung zu Berufsbeginn – quasi als praktisches Komplement zur doch eher praxisfernen Universitätsausbildung. Unter www. dagensmedicin.se erfuhren wir, welche Krankenhäuser in Schweden AT-Stellen anbieten, sowie Adressen der zuständigen Studiendirektoren, die für die Ausbildung während des ATs zuständig sind. Wir entschieden uns schließlich für Lidköping am Vänernsee, da uns der freundliche Ton und das persönliche Interesse des Studiendirektors beeindruckten. Nach dem Vorstellungsgespräch und der Befragung eines deutschen AT-Kollegen bestätigte sich unser positiver Eindruck, und wir fühlten uns wirklich willkommen. Der Arbeitgeber finanzierte uns einen dreimonatigen Sprachkurs für Mediziner in Göteborg, in dem wir ein Dutzend Kollegen aus Deutschland trafen, die aus ähnlichen Gründen nach Schweden gekommen waren.
Nach nun über einem Jahr in Schweden bin ich von der Idee des schwedischen AT durchweg überzeugt. In jedem Ausbildungsabschnitt ist man einem Oberarzt zugeordnet, der regelmäßig im Gespräch versucht zu klären, wie der Fortgang der eigenen Ausbildung optimiert werden kann. Als ATler nähert man sich allen Aufgaben zunächst selbst, wobei aber bei Bedarf jederzeit ein Oberarzt konsultiert werden kann, der im Regelfall sein Wissen bereitwillig teilt. Die Arbeit erfolgt dabei stets im Team, in dem die Hierarchien äußerst flach ausgeprägt sind.
Das Konsultationsprinzip gilt vor allem auch für die Nachtdienste, in die ATler nach und nach eingeführt werden. Ungefähr jede fünfte Woche arbeitet man vier Nachtdienste am Stück, wobei jeweils ein freier Tag zwischen den 16-Stunden-Nachtschichten liegt. Generell wird die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden weitgehend eingehalten. Dabei wird jede geleistete Überstunde registriert und kann später – je nach Wunsch – „abgefeiert“ oder ausgezahlt werden. Ebenso in den Dienstplan eingearbeitet sind Ausbildungsveranstaltungen wie eine Einführungs- und eine Notfallwoche, eine Woche in der Radiologie, drei Wochen in der Anästhesie sowie mehrtägige nationale und regionale AT-Kongresse, auf denen man an Ausbildungsworkshops teilnehmen kann. Unser Krankenhaus bot uns zusätzlich eine viertägige Ausbildungsreise nach Island an. Darüber hinaus besitzt jeder ATler ein
Studienkonto mit 1 000 Euro für Bücher und Fortbildungen.
Ein Oberarzt hat das Gesamtkonzept einmal so zusammengefasst: „Vor allem in den ersten zwei Berufsjahren sollte man als junger Arzt die Chance bekommen, möglichst viele Irrtümer auszuräumen und Lücken aufzufüllen, die sich während der Studienzeit nicht geschlossen haben. Wir sorgen uns um junge Kollegen, die sich nicht trauen nachzufragen, wenn sie unsicher sind und vorgeben, etwas zu können, was sie eigentlich noch nicht erlernt haben. Bei denjenigen, die viel fragen, fühlen wir uns sicherer, weil wir wissen, wo sie stehen und dass sie bei Bedarf um Hilfe bitten. Ein ehrlicher und wohlwollender Umgang von allen Seiten ist dafür ausgesprochen wichtig.“
Besonders gefürchtet haben wir uns während der Studienzeit vor einer negativen Persönlichkeitsentwicklung im Arztberuf: Dadurch, dass man unter seinen Vorgesetzen leidet, besteht die Gefahr, d
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