Famulatur-Erlebnis-Brasilien

Drei Jahre Medizin-Studium waren vorüber. Trotz oder gerade wegen dieser langen Zeit spürte ich einen deutlichen Mangel an erhoffter Befriedigung in Bezug auf das Studium und war in den Sommerferien wieder einmal mit mir selbst am Hadern, ob das, was ich tue wirklich sinnvoll ist.
Wie schön ist es dann, wenn man verreisen kann! Ich hatte mich entschlossen, knapp zwei Monate in Brasilien zu verbringen, davon einen Monat im größten Krankenhaus des Landes – Hospital das Clinicas, der Uni-Klinik von Sao Paulo – und den Rest, um das Land kennenzulernen.
Mein Flug nach Sao Paulo ging gleich am Morgen nach dem Staatsexamen und so verdrängte die Reiselust schnell jeden Gedanken an die vergangenen zwei Tage. Ich spürte, wie meine atrophierte rechte Hemisphäre wieder zu Leben erwachte und dafür sorgte auch meine gespächige brasilianische Sitznachbarin. Ihr Mitteilungsbedürfnis war enorm und steigerte sich noch, je mehr ich mich bemühte, mein Portugisisch-Grundkurs-Wissen zu bemühen.
In Sao Paulo angekommen machte ich mich auf den Weg zu der Wohnung, in der bereits ein Zimmer auf mich wartete. Ein Freund, der geschäftlich oft in Brasilien verkehrt, hatte mir das Zimmer besorgt und seine Freundin, die vor einigen Jahren ein Tertial ihres PJ im Hospital das Clinicas (H.d.C.) absolvierte, hatte mir ihren damaligen Professor als Ansprechpartner vermittelt.
Es ist aber auch ohne weiteres möglich, sich direkt an der medizinischen Fakultät der Universität Sao Paulo (FMUSP) zu bewerben, wo man gegebenenfalls auch nach einem Wohnheimzimmer fragen kann. Die notwendigen Infos, Ansprechpartner und Formulare findet man am einfachsten unter www.usp.br/fm/fr-gradua.htm.
Sao Paulo ist eine Riesenstadt, eher eine Art Riesenbaby, denn es ist unverkennbar, dass die Stadt sich nicht gleichmäßig und harmonisch entwickelt hat. Gegründet wurde sie, wie viele andere brasilianische Städte, von den Jesuiten. Der vor allem im westlichen Hinterland der Metropole betriebene Kaffee-Anbau sorgte dafür, dass S.P. sich zu einem Handelszentrum für die weltweit begehrten braunen Bohnen entwickelte. Die eigentliche Bevölkerungsexplosion erfolgte erst in diesem Jahrhundert und noch immer zieht die Stadt viele Menschen vor allem aus den materiell ärmeren Gegenden des Landes an. Kein Paulista (Einwohner von S.P.) konnte mir eine genaue Einwohnerzahl sagen – die Angaben schwankten zwischen 10 und 20 Millionen, was vielleicht daran liegen mag, dass die Stadt inzwischen mit den Städten des Umlandes verbacken ist wie ein invasiver Tumor.
Das Tempo der Stadt ist nicht gerade gemächlich, das Verkehrsaufkommen und die resultierende Abgasmenge sind einfach unbeschreiblich. Strassen ohne Fußgängerampeln sollte man gar nicht oder nur im Laufschritt überqueren, denn die Paulistas sind Vollblut-Raser, allen voran: die Busfahrer. Dass das Rasen nicht immer gut geht, konnte ich sowohl in der chirurgischen Notaufnahme als auch in der Orthopädie in Form komplizierter Unterschenkel- und Fußfrakturen sehen...
Überhaupt spiegelte mir die Klinik die Verhältnisse in S.P., aber auch des ganzen Landes recht facettenreich wider. Das liegt zum einen sicherlich an der Größe von H.d.C. – es sind hier etwa 1200 Ärzte beschäftigt – aber zum anderen auch am guten Ruf dieser Einrichtung, was Patienten aus allen Regionen des Landes anzieht. Die Klinik erhält einen wesentlich höheren Etat vom Staat als andere Universitäts-Krankenhäuser. Patienten, die zum H.d.C. kommen, müssen die Behandlung mit neuen und teuren Medikamenten der „1. Welt“ nicht selbst zahlen wie in jedem anderen Krankenhaus des Landes. Das könnten die meisten Patienten ohnehin nicht.
Es sei hier angemerkt, dass die Brasilianer für die medizinische Grundversorgung nichts zahlen, der Staat in puncto Gesundheit aber trotzdem sehr viel für seine Menschen tut. Beispiel HIV: Die teuren antiretroviralen Pharmaka stellt Brasilien selbst her und schert sich nicht um Patentrechte US-amerikanischer Firmen. Di
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