Blick ins Ausland

Mais, Malaria und mehr – eine Famulatur im Regenwald von Guatemala

  • Montag, 6. Mai 2002
guatemala200
Foto: Ralf Bettker

Mal wieder lärmen Hühner und Truthähne um die Wette. Es ist sechs Uhr morgens, die Sonne scheint bereits kräftig und ich krieche aus meinem „Bett“ hervor, einer auf dem Boden liegenden superweichen Matratze mit Moskitonetz. Ja, auch in dieser Nacht bin ich von nächtlichen Ameisenattacken verschont geblieben. Ein neuer Tag beginnt in AK`TENAMIT, einem Projekt im Regenwald von Guatemala. Die „neue Stadt“, das bedeutet der Name in der lokalen Queq‘chi-Sprache der Mayas, liegt im Nordosten des Landes, direkt am Fluss Rio Dulce und etwa eine halbe Stunde Bootsfahrt vom nächsten Ort Livingston entfernt.

Noch etwas gerädert von meinem Bereitschaftsdienst in der vergangenen Nacht gehe ich die Treppe runter und stehe schon mitten in der „Clinica“, der einzigen medizinischen Versorgungsstelle für rund 7000 Mayas, die auf Dutzende Dörfer verteilt leben. Einige von ihnen begrüßen mich schon wartend auf dem Weg zum morgendlichen Bad im Fluss. In der Regel beginnt die Arbeit um acht – außer natürlich bei Notfällen -, da bleibt auch noch Zeit für das Frühstück von Bohnen und Maisfladen.

Einer dieser Notfälle passierte letzte Nacht um drei: ein 16-jähriges Mädchen klagte über starke vaginale Blutungen. Mit Alejandro, dem diensthabenden „promotor de salud“, einem angelernten Einheimischen, der die Übersetzung von Queq’chi ins Spanische übernahm, stellte ich fest, dass sie schwanger war. Die letzte Regel lag etwa sechs Monate zurück, mehr war nicht bekannt. Nach einer manuellen Untersuchung und der Kontrolle der fetalen Herztöne mit einem kleinen Dopplergerät wusste ich, dass wir sie nicht hier behalten konnten.

Da eine weitergehende Diagnostik nicht möglich ist – nachts ist sogar nur zum Teil Strom verfügbar – müssen alle Fälle außer Geburten ins nächste Krankenhaus. Also rief ich Jorge, den Bootsfahrer dieser Nacht, und mit der Patientin, „versorgt“ mit einer NaCl-Infusion, und ihren Eltern machten wir uns auf den rund einstündigen Weg entlang der Golfküste Guatemalas in die Provinzhauptstadt Puerto Barrios. Zu allem Überfluss begann auch noch ein prasselnder tropischer Regensturm mit Windstärke 5, im offenen Boot wahrlich kein Vergnügen.

Eine Schwangerschaft mit 16 ist bei der ländlichen Mayabevölkerung eher die Regel. Zehn Kinder sind eine Seltenheit, und da die meisten Geburten nach wie vor in den Dörfern stattfinden, ohne Strom und fließendes Wasser, sind sowohl Kinder- als auch Müttersterblichkeit hoch. Wer in der Hauptstadt Guatemala City lebt, hat verglichen mit der Landbevölkerung eine um durchschnittlich sieben Jahre höhere Lebenserwartung. Ein zum Teil sehr traditionelles Rollenbild von Mann und Frau, gepaart mit einer Analphabetenrate von rund 70 Prozent in der Region Livingston erschweren zusätzlich die gesundheitliche Aufklärung – das 16-jährige Mädchen wusste nichts von ihrer Schwangerschaft. Daher gehören zu AK’TENAMIT auch Schulen und ein Internat sowie mit dem Vertrieb von Kunsthandwerk eine zusätzliche Einkommensquelle besonders für Frauen.


Vom Frühstück kommend denke ich noch an dieses Mädchen, deren Kind leider nicht überlebte, da entdecke ich schon andere „promotores de salud“ und Katy, die für die „Clinica“ verantwortliche amerikanische Ärztin, mit der sich die anwesenden Studenten die Arbeit teilen. Die meiste Zeit war ich allerdings als einziger Student dort, über Arbeitmangel hatte ich also nicht zu klagen.
Die „promotores“ übernehmen die Anamnese, da die meisten Patienten kein Spanisch sprechen und bitten uns dann zu Untersuchung und Therapie.


Wie in vielen anderen Entwicklungsländern stehen auch hier Infektionen und parasitäre Erkrankungen im Vordergrund, HIV ist ein unter den Mayas zwar noch kleines, aber wachsendes Problem. Somit ist auch die recht gute medikamentöse Versorgung der „Clinica“ darauf eingerichtet. Antibiotika werden sehr häufig ausgegeben, auch wenn die Indikation nicht immer gegeben ist. Da viele Patienten jedoch Stunden oder gar einen ganzen Tag zu Fuß oder mit

Rolf Bettker

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung