Blick ins Ausland

Norwegen: Erfahrungsbericht

  • Samstag, 17. November 2001

Nachdem hier und in den anderen Foren doch immer wieder Fragen zu Norwegen auftauchen möchte ich (Facharzt für Anästhesie,Jg.59) über meine Erfahrungen nach 2 Jahren hier kurz berichten- und über Gründe, warum ich mir wieder einen Job in Deutschland gesucht habe. So ab 97 hörte ich immer wieder über Arbeits-möglichkeiten in Norwegen und Stellenanzeigen tauchten auf. Ich habe mich dann beim ZAV- Vermittlungsprojekt beworben und nach gut einem halben Jahr kam der Anruf aus Orkanger. Ich also Flug gebucht, mich 3 Tage hier umgeschaut, und nach Beratung mit der Familie zugesagt(und unbefristeten Vertrag mit BAT Ia gekündigt). Als wir im September 99 mit Sack und Pack hier ankamen wurden die ersten Vorurteile bestätigt: die Leute im Krankenhaus waren sehr nett und extrem hilfreich, alle Formalitäten wurden schnell erledigt, Unzugskosten erstattet, Sprachlehrer,Kindergartenplatz und Wohnung waren organisiert.<P> Mein "Chef" (CA nach deutschem Muster gibt es nicht, der sogenannte avdelingsoverlege ist in erster Linie für Koordinierungs- und Verwaltungsaufgaben zuständig, in der täglichen Arbeit sind alle overleger selbstständig und gleichberechtigt)empfing mich damit, dass in den ersten 3 Monaten das arbeiten nicht so wichtig sei; ich solle mich in Ruhe eingewöhnen und norwegisch lernen, insbesondere Dienste müsse ich nicht machen. Als nach dem ersten Vierteljahr das Vertrauen in die Sprachfertigkeiten gefestigt war, wurde ich auf den regulären Dienstplan gesetzt(NB: in dieser Zeit habe ich volles Gehalt bezogen. Der Einzeluntericht beim Sprachlehrer (später ca 1-2 h/Woche) wurde übrigens so lange bezahlt wie ich Lust dazu hatte, insgesamt über 16 Monate. Diverse andere Vorurteile über die Arbeit hier haben sich auch bestätigt: ja, es gibt wirklich keine festgefügte Hierarchie, alle Facharztstellen sind gleichberechtigte Oberarztstellen.<P> Ja, alle gehen freundlicher miteinander um, es wird nicht angepfiffen oder barsch angeordnet; man muss versuchen seine Mitarbeiter zu überzeugen. Ja, die Arbeitsbelastung und das Tempo sind geringer. Ja, die Stellenpläne für Krankenschwestern und andere Assistenzberufe sind grosszügiger bemessen. Ja, und die Arbeitszeiten sind heilig, eventuelle Überstunden werden genau ausgeglichen. Im Laufe der Zeit und im Licht des Alltags bekommt dieses Paradies der Werktätigen aber doch seine Schatten. Fehlende Hierarchie bedeutet, dass diverse Kollegen vor sich hin wursteln (wie sie es gewohnt sind aus Schweden, Dänemark,Italien, England, Uruguay oder wo sie sonst studiert und gearbeitet haben) und die armen Turnusleger (= AIP) die die Stationen und den Hausdienst machen müssen oft doch ziemlich im Wald stehen gelassen werden.<p> Ganz besonders nett ist es in der Sommerferienzeit: da alle Festangestellten das Recht auf 3 Wochen zusammenhängenden Urlaub haben, ist die Klinik fest in der Hand von Aushilfen (Vikarer), meist aus Schweden oder Dänemark. Und Medizinstudenten im 10-12 Semester werden per befristeter Zulassung zeitweise zu AIP´s befördert- und machen alleine Hausdienst mit einem pensionierten Kollegen aud dem Ausland als Vikar im Hintergrund. Ich selbst möchte bei solchen Konstellationen in unserem eigenen Krankenhaus nicht Patient sein. Das alle nett zueinander sein müssen kann auch fehlende Kritikfähigkeit bedeuten. Man macht sich extrem unbeliebt wenn man gegenüber Mitarbeitern fachliche Kritik zu üben wagt; es haben ja schliesslich alle Pflege- und Assistenzberufe ein (theorielastiges)Fachhochschulstudium absolviert und kleben an den dort gelernten Prozeduren( die alle fein säuberlich in dicken Ordnern nachzuschlagen sind). Wenn man da aber mit neuen Entwicklungen oder Literatur argumentieren will, heisst es: da muss man Mal darüber reden, der zuständige Fachausschuss muss sich erst damit befassen, etc.<p>
Das niedrige Arbeitstempo ist für einen persönlich natürlich sehr angenehm; wenn man aber die Wartelisten für die Patienten ansieht ( Galle 1-3 Jahre, Leistenbruch 2-4 Jahre, Varicen, Sterili

Michael

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