Thailand: Dr. Cynthia’s Clinic – Krankenhaus für vergessene Flüchtlinge
„Die Minen in den Wäldern sind fehlerhaft. Es ist gut, wenn Dich eine Mine tötet, aber meistens tut sie das nicht und zerfetzt Dir nur die Glieder. Dann kommt es zur Blutung und zur schweren Wundinfektion, bevor Du endlich jemanden findest, der Dir das Bein amputieren kann. Danach bist Du eine Belastung für andere und völlig wertlos. Daher ist es besser, wenn eine Mine Dich tötet.“ Myo Minn ist ein junger Mann, der an der Mae-Tao-Clinic im thailändischen Mae Sot, etwa einen Kilometer von der Grenze zu Burma (Myanmar) entfernt, zum Medic ausgebildet wird. Er ist einer der wenigen von den Millionen Burmesen in Thailand, der Papiere hat und sich ausweisen kann. Und er ist stolz darauf, dass er von der Schule aufgenommen und nun in 18 Monaten zum Medic ausgebildet wird. Danach will er nach Burma zurückkehren und die Menschen in den Dörfern medizinisch versorgen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er dabei getötet wird.
Seit vierzehn Jahren leben unzählige Flüchtlinge aus Burma illegal in Thailand und verstecken sich in den Großstädten oder den Wäldern. Sie haben weder Papiere noch Rechte, arbeiten für Hungerlöhne, prostituieren sich oder leben vom Drogenhandel. Da sie praktisch nicht existieren, sind sie der Willkür von Polizei, Militär und Behörden ausgeliefert. Sie können vergewaltigt, getötet oder schlimmer noch, nach Burma ausgewiesen werden, ohne dass sich jemand daran stört. Seit das Militär 1988 vollends die Macht in Burma übernommen hat und die gewählte Präsidentin und Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi unter Hausarrest steht, hat sich Burma zum zweitärmsten Land der Welt entwickelt. Die Kinder verlassen dort in der Regel mit spätestens elf Jahren die Schule und arbeiten im Straßenbau, in Minen oder im staatlichen Anbau von Drogen für den Export. Manche werden Kindersoldaten bei den staatlichen Militärs oder bei den Guerillas, je nachdem wer sie aufnimmt. Die medizinische Versorgung ist vergleichbar mit der, die George Orwell 1935 in „Tage in Burma“ beschrieben hat: „Wo haben Sie Schmerzen? Kopf, Rücken oder Bauch?“, und je nach Antwort händigt man ein Rezept von einem der drei vorbereiteten Stapel aus. Viele Burmesen sind geflüchtet, Tausende flüchten auch heute noch monatlich. Sie leben zum Teil bereits in der zweiten Generation auf fremdem Boden und warten darauf, dass der internationale Boykott endlich Wirkung zeigt und das Regime in Burma zusammenbricht. Der Boykott hat aber auch dazu geführt, dass das Interesse der Weltöffentlichkeit an dem Schicksal dieser Menschen verloren ging. Im Grenzgebiet zwischen Thailand und Burma herrscht seit 14 Jahren Bürgerkrieg.
Fast idyllisch inmitten von Reisfeldern und grünen Hügeln liegt die Mae-Tao-Clinic. Vor 16 Jahren begann Dr. Cynthia Maung hier in einem kleinen Häuschen direkt hinter der Grenze mit der Versorgung von verfolgten Studenten, die aus Burma fliehen mussten. Inzwischen ist daraus ein weit angelegter Gebäudekomplex gewachsen, in dem ein multidisziplinäres Krankenhaus mit Schule integriert ist. Die Behandlung erfolgt unentgeltlich und wird über Spendengelder finanziert. Wichtiger als die Behandlung selbst ist jedoch die Ausbildungsmöglichkeit, die Dr. Cynthia dort geschaffen hat. Junge Menschen erhalten in der dem Krankenhaus angeschlossenen Schule innerhalb von 18 Monaten eine Basisausbildung in Medizin, sodass sie danach imstande sind, eine Geburt zu leiten, Wunden zu versorgen, Malaria zu diagnostizieren und zu behandeln sowie die Grundlagen der Augenheilkunde und der Kinderheilkunde zu beherrschen. Darüber hinaus können die Schüler Fremdsprachen erlernen und haben Zugriff auf Computer und das Internet. Und es wird vor allem Toleranz und Demokratie gelehrt.
Die meisten Medics kehren nach der Ausbildung nach Burma zurück und versorgen die Bevölkerung auf den Dörfern. Viele von ihnen arbeiten unter Lebensgefahr. Als „Backpacker-Medics“ überqueren sie in Versorgungsteams heimlich die Grenze nach Burma und kehren dann wieder nach Thailand z
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