Dr. McCoy

An App(le) a Day keeps the Doctor away

  • Montag, 24. März 2014

Angeblich steigt der Smartphone- und Computerhersteller Apple demnächst in den als sehr gewinnträchtig eingeschätzten Zukunftsmarkt der Fitness- und Selbstmessungs-Apps ein. Das jedenfalls meldet die Computer-Website 9to5mac.com. Und die Technologieseite recode.net zitiert einen Hersteller von Biosensor-Unterhemden der glaubt, dass alle großen Akteure – Google, Apple, Facebook, Amazon – in den nächsten Jahren hart um die Cloud-basierte Speicherung der Biodaten ihrer Kunden kämpfen werden.

Natürlich, als Arzt kann man sich schon mal ein wenig überheblich fragen, was denn nun der Durch­schnittsbürger eigentlich mit einem Pulsoxymeter im Smartphone will, warum ausgerechnet Google eine Kontaktlinse zum Messen des Blutzuckers entwickelt und ob die ganze Selbstvermesserei nicht
nur ein großer Unfug ist.

Ich allerdings frage mich, ob mittel- bis langfristig aus der ganzen Quantified-Self-Bewegung nicht vielleicht doch auch was Vernünftiges werden könnte? Natürlich sind da Geschäftemacher am Werk. Aber die sind ja im heutigen Gesundheitswesen auch schon unterwegs. Und mit was für Ergebnissen?!

Nach meiner Beobachtung ist eine der Hauptursachen für die Entstehung, Aufrechterhaltung und stetige Verschlechterung eines Großteils chronischer Erkrankungen schlichtweg der unglaubliche Bewegungs­mangel großer Teile der Bevölkerung in den Ländern der sogenannten „ersten Welt“. Hinzu kommen ungesunde Ernährung und eine Beschäftigung mit häufig anspruchslosestem und passiv-konsumorientiertem Freizeitvergnügen. Und diese chronischen Erkrankungen – zu denen ja nicht nur das metabolische Syndrom mit all seinen Folgeerscheinungen, kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen sowie immer früher einsetzende Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates, sondern offenbar auch in wachsendem Maße psychische Störungen gehören – erzeugen dann
riesige direkte und indirekte Kosten im Gesundheitswesen und in den Volkswirtschaften über Arbeitsausfall, Berufsunfähigkeit und schließlich frühzeitige Pflegebedürftigkeit.

Und bei den unweigerlich folgenden Kontakten der Betroffenen zum Gesundheitswesen sehen sich Ärzte dann mit einer „Reparier-mich-Haltung“ ihrer Patienten konfrontiert als wären sie (die Ärzte) Pannenhelfer und die Krankenhäuser Autowerkstätten. Ich glaube, hunderttausende ärztliche Kollegen in den Industrienationen denken täglich mehr als einmal „ach, wenn er sich doch mal ein wenig bewegen, etwas gesünder essen und SELBST aktiv werden würde“. Aber sie scheitern immer wieder in ihren edukativen Bemühungen um die Patienten. Und nicht wenige resignieren – so mancher wird mitunter zynisch.

Und dann? Dann wird der Patient be-handelt. Mit Diagnostik, Interventionen, Medikamenten und Operationen. Und wieder Diagnostik. Am besten invasiv. Und nochmal eine Intervention, neue Medikamente und vielleicht nochmal eine Operation. Nur besser geht's ihm nicht, dem Patienten. Der sich dann wundert. Denn er glaubt ja immer noch, sein Körper sei eine Maschine die man doch reparieren können müsse. Am besten mit Ersatzteilen. Oder zumindest durch die richtigen Substanzen, die aber wahrscheinlich erst noch erfunden werden müssen.

Dann meinetwegen Apps für das Smartphone, intelligente Armbänder für das Handgelenk und T-Shirts die den Körperfettanteil messen. Denn wenn diese Hilfsmittel dazu führen könnten, dass Menschen – am besten schon dann, wenn sie noch gar keine Patienten sind – verstehen, dass sie SELBST ihr wichtigster Therapeut sind, dann wär’ mir jedes Mittel recht.

Und um unsere Rolle als Ärzte mache ich mir da wenig Sorgen. Vielleicht träfen wir in Zukunft einfach häufiger auf Patienten, die uns etwas seltener fragen, was wir für sie tun können, sondern vielmehr was sie für sich selbst tun können. Das wäre doch schön.

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