9/11: Der Mythos vom kranken Retter
In diesen Tagen jährt sich der Anschlag auf das World Trade Center zum zehnten Mal und es fehlt nicht an Studien, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen auf die Helfer beschäftigen. Mehr als 12.000 Feuerwehrleute waren damals im Einsatz und viele von ihnen sind ums Leben gekommen.
Die Logik von Trauer und Vergeltung will aber, dass wir regelmäßig von den gesundheitlichen Folgen erfahren, die der Einsatz für die damaligen Helden hatte. Das Mount Sinai Hospital vom New York listet auf: 28 Prozent der Retter leiden heute unter Asthma, 42 Prozent unter Sinusitis, 39 Prozent unter GERD, 42 haben eine gestörte Lungenfunktion. Dies ist nur der Beginn einer längeren Aufzählung. Man fürchtet fast, dass zehn Jahren nach dem Anschlag kaum noch ein Retter am Leben ist.
Tatsächlich hat es in den Jahren 2003 bis 2009 156 Todesfälle gegeben. Doch damit ist die standardisierte Mortalitätsrate nicht höher als in der übrigen Bevölkerung der US-Großstadt, sondern sogar um 43 Prozent niedriger.
Die Tätigkeit bei der Feuerwehr scheint damit zu den sicheren Jobs in der Stadt zu zählen – trotz der erhöhten Unfallgefahr und der Exposition mit gesundheitsschädlichen Chemikalien, die sich bei der Brandbekämpfung nicht ganz vermeiden lassen.
Doch die Zahlen zeigen auch, wie schwer Vergleiche sind. Die niedrigere Sterblichkeit ist ganz sicher nicht Folge des Einsatzes am 9. September. Das wäre absurd. Doch der sichere Arbeitsplatz („worker cohort effect“) und die gute gesundheitliche Betreuung durch Behörden könnten eine Rolle spielen, ebenso die Tatsache, dass die Feuerwehr bei der Einstellung Wert auf gesundheitliche Fitness legt.
Auch die zweite Studie, die sich mit den gesundheitlichen Folgen des Einsatzes beschäftigt, liefert nicht das erwartete Resultat. Die Retter waren bei ihrem Einsatz allen möglichen krebserregenden Substanzen ausgesetzt.
Die Pressemitteilung des Albert Einstein College of Medicine in New York zählt auf: Glasfaserstaub, Asbest, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, polychlorierte Biphenyle und Furane sowie Dioxine und so weiter.
Dass die meisten Feuerwehrleute in den exponierten Arealen sich durch Atemgeräte geschützt hatten, wie dies der Arbeitsschutz vorsieht, wird nicht erwähnt. Nach einer ebenfalls im Lancet veröffentlichten Analyse soll das Krebsrisiko der Retter heute um 19 Prozent höher sein als in der Allgemeinbevölkerung. Dass diese Assoziation nicht signifikant war, wird dabei leicht übersehen.
Nicht ins Bild passt auch, dass ausgerechnet die Rate von Lungenkrebs bei den Rettern deutlich niedriger war als erwartet. Schließlich muss man wohl einwenden, dass die Latenzphase, nach der ein Anstieg von Krebserkrankungen zu erwarten ist, noch nicht erreicht ist.
Bei den Leukämien, bei der die Latenzzeit besonders kurz ist, zeigt sich ebenfalls keine Häufung. Auch dies zeigt, dass der Arbeitsschutz bei der New Yorker Feuerwehr offenbar auch den Belastungen des Einsatzes am und in der Umgebung des World Trade Centers standgehalten hat.
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