Kriminalität erhöht Blutdruck der (nicht bedrohten) Bevölkerung
Die US-Großstadt Chicago erlebte im Jahr 2015 nach Jahren einer zurückgehenden Kriminalität eine spektakuläre Serie von Gewalttaten und Morden, über die in den Medien ausführlich berichtet wurde. Obwohl die Kriminalität auf bestimmte Stadtteile beschränkt war, waren viele Bewohner der Stadt beunruhigt, erinnert sich Elizabeth Tung, die an der Universität Chicago lehrt.
Da Sicherheit für die Menschen von zentraler Bedeutung ist – in der Maslowschen Bedürfnishierarchie steht sie nach der Befriedigung physiologischer Bedürfnisse gleich an zweiter Stelle – hat die Forscherin nach möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit gesucht.
Sie analysierte die Daten von 53.402 Patienten, die zwischen Mai 2014 und August 2016 in den Ambulanzen eines akademischen Zentrums behandelt wurden. Dort wird in der Regel auch der Blutdruck bestimmt, dessen Werte in die elektronischen Krankenakten eingetragen werden. Tung setzte die Blutdruckwerte zunächst mit dem Wohnort in Verbindung. In den Stadtteilen mit der höchsten Kriminalität wurden die höchsten Blutdruckwerte notiert. Der Anteil der Hypertoniker war mit 36,5 Prozent deutlich höher als in den sicheren Stadtteilen, wo 22,5 Prozent einen zu hohen Blutdruck hatten. Dies muss nicht unbedingt mit der Kriminalitätsrate zusammenhängen. In den unsicheren Stadtteilen gibt es mehr Armut. Die wirtschaftlich prekäre Situation ist häufig mit Risikofaktoren wie Adipositas, Bewegungsmangel und Tabakrauchen verbunden, die den Blutdruck erhöhen.
Bemerkenswert war jedoch, dass nach der Serie von spektakulären Raubüberfällen und Morden der Anteil der Menschen mit erhöhten Blutdruckwerten um drei Prozent stieg. Noch erstaunlicher war, dass dieser Anstieg vor allem in den sicheren Stadtteilen auftrat, in denen die Menschen gar nicht bedroht waren. Hier nahm der Anteil der Hypertoniker um neun Prozent zu. In den gefährdeten Stadtteilen selbst wirkte sich die Zunahme der Kriminalität kaum aus.
Tung vermutet, dass die Bewohner dort schon vorher unter einem erhöhten Stress lebten, der durch einen Anstieg der Gewalttaten nicht weiter erhöht wurde. Für die sicheren Stadteile war es aber ein neuer Stressfaktor, der sich sofort auf den Blutdruck auswirkte.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: