Gesundheit

Mumien mit Atherosklerose

  • Montag, 11. März 2013

Die Atherosklerose gilt weithin als eine Erkrankung des Industriezeitalters mit seinem Überfluss an hochkalorischer fettreicher Nahrung, die ohne körperlichen Kraftaufwand erhältlich ist und häufig mit ungesunden Lebensgewohnheiten wie dem Rauchen kombiniert wird. Dabei hatten der österreichische Physiologe Johann Nepomuk Czermak und der englische Bakteriologe Marc Armand Ruffer bereits im 19. Jahrhundert auf Gefäßverkalkungen in ägyptischen Mumien hingewiesen.

Das Team um Randall Thompson vom Saint Luke’s Mid America Heart Institute in Kansas City hatte dies zuletzt mittels Computertomografien an ägyptischen Mumien bestätigt (Circulation 2009; 120: S354). Die Erkrankungen ließen sich dennoch als Folge einer Überflussgesellschaft deuten, denn die Lebensweise der ägyptischen Oberschicht war sicherlich privilegiert. Auch die Gefäßverkalkungen bei dem in den Ötztaler Alpen gefundenen Leichnam eines Eiszeit-Jägers könnten ein Einzelfall gewesen sein.

Diese Deutung ist nach der aktuellen Studie kaum noch möglich. Thompson und Mitarbeiter untersuchten 137 Mumien. Sie stammten aus Ägypten, Peru, Südwestamerika und den Aleuten und umspannten einen Zeitraum von 4.000 Jahren sowie unterschiedliche Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Die atherosklerotischen Plaques wurden unabhängig von der Herkunft bei etwa einem Drittel der Mumien gefunden, wobei Häufigkeit und Ausdehnung mit dem Alter zunahmen, genauso wie in der heutigen Gesellschaft.  

Diese Entdeckung stellt die heutigen ätiologischen Konzepte der Atherosklerose als einer Zivilisationsfolge infrage. Die Atherosklerose gab es zweifellos bereits vor der industriellen Revolution und möglicherweise auch schon vor der neolithischen Revolution. Sie ist nicht abhängig vom Wohlstand (es wurden auch natürlich mumifizierte Leichen untersucht) und von den Ernährungsgewohnheiten. Übrig bleibt eigentlich nur die Erklärung, dass es sich um Alterungsvorgänge handelt, was nicht bedeutet, dass sie unvermeidlich sind.

Epidemiologische Studien zeigen, dass viele Risikofaktoren vermeidbar sind. Dazu gehört neben der Insulinresistenz, der Dyslipoproteinämie und der Hypertonie auch das Rauchen. Die heutigen Menschen haben dank dieser Erkenntnis möglicherweise bessere Chancen, die Atherosklerose und ihre Folgekrankheiten zu vermeiden als die Menschen früherer Zeiten.

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