Placebo können auch beim informierten Patienten wirken
Placebos werden heute Synonym für die Täuschung des Patienten betrachtet, und damit die Täuschung funktioniert, darf der Patient natürlich nicht wissen, dass das Mittel, das ihm verabreicht wird, gar keinen Wirkstoff enthält. Wer so denkt, unterschätzt die Wirkung der Placebos und die Imaginationskraft seiner Patienten, wie ein Experiment zeigt, das Psychologen der Universität Basel und der Harvard Medical School in Boston durchgeführt haben.
In dem Experiment wurden 160 gesunde Probanden gebeten, ihren Unterarm auf eine Platte zu halten, die sich langsam erwärmte. Sie sollten den Unterarm erst dann von der Platte nehmen, wenn sie die Hitze nicht mehr ertragen.
Es gab vier Gruppen: In der ersten Gruppe wurde den Teilnehmern keine Behandlung in Aussicht gestellt. In den anderen drei Gruppen wurde ihnen ein schmerzlindernde Salbe versprochen. Einer Gruppe wurde gesagt, die Salbe enthalte das Lokalanästhetikum Lidocain. Das war gelogen. Die Salbe war ein Placebo. Die zweite Gruppe enthielt eine Salbe mit der ehrlichen Aufschrift „Placebo“.
In der letzten Gruppe wurde die Salbe ebenfalls als „Placebo“ beschriftet, doch die Teilnehmer erhielten vorher eine viertelstündige Aufklärung über den Placeboeffekt. Ihnen wurde ausdrücklich erklärt, dass Placebos, auch wenn sie keinen Wirkstoff enthalten, häufig eine gleich gute Wirkung erzielen wie der Wirkstoff.
Das half. Die Placebos linderten den Schmerz genauso gut, wie die angebliche Lidocain-Salbe. Das „Placebo“, das ohne weitere Aufklärung ausgehändigt wurde, war jedoch unwirksam. Der Schmerz war hier ebenso stark wie in der Gruppe, die gar keine Behandlung erhalten hatte.
Die Experimente zeigen, dass auch offen abgegebene Placebos wirken können. Nach Ansicht von Studienleiter Jens Gaab von der Universität Basel ist es nicht zwingend notwendig, die Patienten zu belügen (was auch ethisch fragwürdig sei). Bei einer guten Kommunikation, die Psychologen sprechen von einem „Narrativ“, könne der Arzt durchaus ehrlich mit dem Patienten sein. Er müsse den Patienten nur davon überzeugen, dass Placebos wirken. Das dürfte vielen Ärzten zu umständlich sein. Und was ist, wenn der Patient nicht zu überzeugen ist, dass Placebos wirken? Die Täuschung dürfte in den meisten Fällen der einfachere Wege sein, auch wenn er ethisch fragwürdig ist.
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