Gesundheit

Polypille mit Nebenwirkungen

  • Freitag, 27. Mai 2011

Die Idee, mit einer Polypille gleich mehrere Zivilisationskrankheiten auf einmal zu bekämpfen, erscheint auf den ersten Blick plausibel. Man nehme mehrere in der Primärprävention bewährte Wirkstoffe und gebe sie allen Menschen über 50 Jahren, die damit vor Zivilisationskrankheiten geschützt werden.

Die Dosierung wird niedrig gewählt, so dass keine Nebenwirkungen auftreten. Alle Wirkstoffe werden in einer Tablette zusammengeführt, was eine hohe Akzeptanz verspricht. Doch die Wirklichkeit zeigt, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Von den sechs angedachten Wirkstoffen sind zwei (Betablocker und Folsäure) inzwischen wieder aus dem Programm genommen worden.

Doch auch die vier Komponenten, die jetzt von der Gruppe um Anthony Rodgers vom George Institute for Global Health in Sydney in der ersten internationalen Studie an (gerade einmal) 378 Erwachsenen getestet wurden, zeigt vor allem eins: Mit der Anzahl der Wirkstoffe steigen die Nebenwirkungen.

Die aktuelle Polypille enthält „nur“ 75 mg ASS, 10 mg Lisinopril 12,5 mg Hydrochlorothiazid und 20 mg Simvastatin. Dennoch klagte einer von sechs Teilnehmern über Nebenwirkungen und einer von 20 brach die Therapie während der kurzen Studienphase von 12 Wochen sogar ab.

Auch die Minderung des kardiovaskulären Risikoprofils blieb hinter den Erwartungen zurück, auch wenn die Autoren immer noch mit einer „Halbierung des kardiovaskulären Risikos“ rechnen, wobei nicht ganz klar ist, worauf diese Schlussfolgerungen nach nur 3 Monaten Therapie beruht.

In Wirklichkeit wird sich die Polypille niemals mit einer zielgerichteten Therapie der Risikofaktoren messen können. Es werden immer Patienten mit den Nebenwirkungen von Antihypertonika belastet werden, die gar keine Hypertonie haben.

Das gleiche gilt im Prinzip auch für das Statin, auch wenn die Verträglichkeit von Simvastatin so gut ist, dass es mittlerweile rezeptfrei abgegeben wird. Die Polypille und ihre fixen Dosierung der Wirkstoffe wird auch dazu führen, dass einige Patienten, die tatsächlich eine arterielle Hypertonie haben, untertherapiert bleiben.

Die Praxis zeigt nämlich, dass ein erhöhter Blutdruck mit den beiden Wirkstoffen nicht ausreichend gesenkt werden kann. Die British Heart Foundation, die die Studie mit finanziert hat, scheint dies zu ahnen. Derzeit gebe es keinen Grund, die Polypille zu verordnen, schreibt sie.

mis

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