Sexismus: US-Chefchirurg tritt nach Editorial zurück
Es ist unklar, welcher Teufel Lazar Greenfield geritten hat, der bis gestern Vorsitzender des American College of Surgeons war. Vielleicht hatte der 78-jähriger Emeritus der University of Michigan School of Medicine Langeweile, vielleicht sehnte er sich zurück an seine Zeit als aktiver Chirurg mit den Männergesprächen im Operationssaal, die in der Erinnerung vielleicht lockerer erscheinen, als sie es in Wirklichkeit waren.
Vielleicht war er es auch nur Leid seiner Frau jedes Jahr am 14. Februar Geschenke machen zu müssen. Was auch immer die Motivation gewesen sein mag, das Editorial, das Greenfield anlässlich des St. Valentinstags in “Surgery News”, dem Vereinsblatt des American College of Surgeons veröffentlichte, sollte gründlich in die Hose gehen.
Greenfield leitet den Feiertag von dem christliche Märtyrer Valentinus (es soll seiner mehrere gegeben haben) ab, kommt dann aber plötzlich über die Vorliebe von Drosophila für stärkehaltige Nährmedien auf die Rädertierchen zu sprechen, die unter ungünstigen klimatischen Bedingungen von der ungeschlechtlichen auf die geschlechtliche Fortpflanzung wechseln, ein guter Anlass für eine chauvinistische Randbemerkung.
Es folgen einige Gedanken über die angebliche Synchronizität des weiblichen Zyklus in Frauen-WGs, um dann zum Kern zu kommen: der antidepressiven Wirkung des männlichen Samens, die tatsächlich einmal Gegenstand einer Umfrage unter Collegestudentinnen war: Frauen, deren Partner Kondome benutzten, hatten höhere Werte in der Beck-Depressionsskala angegeben (Arch. Sex. Behav. 2002; 31: 289-93).
Kommentar Greenfield: Jetzt wissen wir, dass es ein besseres Geschenk zum Valentins-Tag gibt als Schokolade. Das fanden nicht alle witzig. Es hagelte Proteste von den weiblichen Chirurgen, denen es auch in den USA schwer fällt in die Männerdomäne Chirurgie einzudringen. Der Frauenanteil unter den US-Chirurgen beträgt 10 Prozent, während sie unter den Studenten die Mehrheit bilden.
Im 22-köpfigen Vorstand des American College of Surgeons sitzen nur 5 Frauen. Der Fall wurde an das Women in Surgery Committee verwiesen, das die Äußerungen des Vorsitzenden als extrem beleidigend einstufte. Es kam zu Rücktrittsforderungen, denen sich Greenfield am Wochenende beugen musste.
Alle Entschuldigungen hatten dem eigentlich renommierten Chirurgen, Mitentwickler eines nach ihm benannten Vena-Cava-Filters, nicht geholfen. Die letzten Wochen dürften ihm den Rest seines Leben in Erinnerung bleiben. Der Verband hat das Editorial (gleich mit dem gesamten Heft) von seiner Seite genommen. Es wurde an anderer Stelle jedoch sogleich wieder eingestellt und der allgemeinen Kommentierung übergeben.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: