Tabakrauch: Karzinogen mit Unterstützung der Leber
Rauchen führt innerhalb weniger Minuten zu Genschäden, titelt die American Chemical Society ihre Pressemitteilung und die meisten Medien greifen diesen Aspekt auf. Die Aussage ist zum einen banal, zum anderen nicht ganz korrekt.
Banal ist, dass alle Gifte sofort auf den Körper wirken, wenn sie in den Kreislauf gelangen. Die Auswirkungen werden aber nicht sofort spürbar. Bei Rauchen kann es zu Sofortwirkungen kommen. Diese betreffen allerdings weniger die Lunge als das Herz, wie zuletzt die epidemiologischen Untersuchungen zu den Folgen der Rauchverbote zeigten.
Ein Einfluss auf die kardialen Ischämien war sofort erkennbar. Die Auswirkungen auf Krebserkrankungen werden erst in einigen Jahren, vielleicht Jahrzehnten spürbar sein. Deshalb ist die Meldung, dass Rauchen innerhalb von wenigen Minuten das Erbgut schädigt, zumindest missverständlich.
Interessant an der Studie von Yan Zhong vom Masonic Cancer Center in Minneapolis ist ein anderer Aspekt. Das polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoff Phenanthren, mit dem die Forscher die Zigaretten ihrer 12 Probanden dotiert hatten – was sagt eigentlich die Ethikkommission dazu? – wird erst nach der Metabolisierung an einem P450-Enzym der Leber zu einem schädlichen Stoffwechselprodukt (Diol-Eposid), das an der DNA festklebt und Addukte bildet – gewissermaßen mit unfreundlicher, besser schicksalhafter Unterstützung der Leber.
Dass diese versehentliche Aktivierung des Karzinogens sofort erfolgt – schon nach 15 Minuten waren die Diol-Eposid-Konzentrationen erhöht – zeigt nur, dass das P450-System in der Leber effizient arbeitet. Seine eigentliche Aufgabe besteht in der Entgiftung von Xenobiotika, also Giften, die mit der Nahrung aufgenommen werden.
Das effiziente P450-System hat sich in der Entwicklungsgeschichte herausgebildet, lange bevor Verbraucherschutzorganisation auf schädliche Bestandteile in der Nahrung hinweisen konnten: Die Menschen konnten früher nicht wissen, welche Schadstoffe sie zu sich nahmen (nur die Geschmacksknospen auf der Zunge, das Riechepithel warnten sie gelegentlich, sowie die kulturell tradierte Erfahrung). Dass die Menschen irgendwann anfangen würden, Tabakrauch zu inhalieren, konnte die Evolution schließlich nicht ahnen.
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