Gesundheit

Wenn Antidepressiva Fische furchtlos machen

  • Freitag, 15. Februar 2013

Die Auswirkungen von Arzneimitteln auf das Ökosystem sind bislang kaum erforscht. Viele Medikamente sind unbedenklich: Einige werden in der Leber metabolisiert, andere sind chemisch instabil, so dass sie nach kurzer Zeit durch Einwirkung von Luft oder Sonne zerfallen. Es gibt aber auch sehr stabile Moleküle, die eine lange Halbwertzeit in der Umwelt haben. Dazu gehört das Antidepressivum Oxazepam, eines der am häufigsten verordneten Beruhigungsmittel. Oxazepam ist nicht nur in Spuren in den Gewässern nachweisbar, es kann sich in Fischen anreichern und verändert dann, wie Tomas Brodin von der Universität in Umeå zeigt, das Verhalten der Tiere. Fischbarsche verlieren unter der Einwirkung des Antidepressivums ihre angeborene Furcht und den Gemeinschaftssinn. Statt in Schwärmen mit anderen Fischen zu jagen, begeben sie sich eigenständig auf Nahrungssuche.

In den geschützten Aquarien der Forscher konnten sie zwar innerhalb kurzer Zeit mehr Nahrung zu sich nehmen als ihre nicht-exponierten Artgenossen. In der Natur könnten die enthemmten Barsche jedoch schnell zum Opfer ihrer Fressfeinde werden, befürchtet Brodin. Die gemeinsame Jagd in Schwärmen sei eine bekannte Strategie für Überleben und Wachstum.

Oxazepam ist nicht das einzige Medikament mit einem potenziellen Einfluss auf das ökologische Gleichgewicht. 17-beta-Estradiol aus oralen Kontrazeptiva und das Antidepressivum Fluoxetin ändern das Verhalten der Goldelritze (Pimephales promelas), das NSAID Ibuprofen mindert die Paarungsbereitschaft des männlichen Zebrabärbling (Danio rerio). Die Forscher regen die Entwicklung von Kläranlagen an, die umweltschädliche Medikamente aus dem Wasser herausfiltern. Dies dürfte allerdings kaum bezahlbar sein.

Auch eine chemische Behandlung der Abwässer scheidet vermutlich aus. Eine Alternative könnte die Entwicklung von weniger stabilen Wirkstoffen sein, die sich in den Abwässern schneller zersetzen. Für die Entwicklung solcher Medikamente fehlen allerdings derzeit die ökonomischen Anreize.

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