Masern
Nachdem die WHO im Jahr 2010 ambitionierte Ziele zur Bekämpfung der Masern und flächendeckenden Impfung aufgestellt hat, sind weltweit große Fortschritte erzielt worden. Während im Jahr 2000 mehr als 540.000 Menschen an einer Maserninfektion starben, konnte diese Zahl bis zum Jahr 2017 auf knapp 110.000 Fälle reduziert werden.
Durch die Impfung konnten seit 2000 geschätzt mehr als 21 Millionen Todesfälle verhindert werden. Das ist ein großartiger Fortschritt. Umso unverständlicher und bedenklicher ist es, dass weitere Fortschritte nun zu stocken scheinen – es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich die Situation zuletzt sogar verschlechtert hat. Besonders in Europa, auch in Deutschland, nimmt stellenweise die Bereitschaft zur Impfung ab, gleichzeitig kommt es immer wieder zu Ausbrüchen der Krankheit, auch zu Todesfällen.
Diese Erkrankungs- und Todesfälle sind vermeidbar und somit unnötig. Eine Impfung ist einfach, kostengünstig und sicher. Während in weiten Teilen der Welt eine niedrige Immunisierungsrate die Folge von Armut, Krisen und Kriegen und schwachen Gesundheitssystemen ist, sind die Ursachen in den wohlhabenden Staaten Europas andere. Hier gibt es gesellschaftliche Milieus, in denen starke Vorbehalte gegen Impfungen im Allgemeinen bestehen, die Impfung gegen Masern wird hier häufig besonders kritisch gesehen, und daher werden Kinder bewusst dem Risiko einer Ansteckung ausgesetzt. Und so kam es auch in Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder zu lokalen Masernausbrüchen mit mehreren Hundert erkrankten Kindern.
Die Sorgen zur Sicherheit einer prophylaktischen Maßnahme sind nicht unbegründet und es ist die Aufgabe der Ärzte und Gesundheitsverantwortlichen, auf diese Sorgen einzugehen und Antworten zu geben. Bei einer primärprophylaktischen Maßnahme, die die gesamte Bevölkerung einschließen soll, können auch sehr niedrige Raten negativer und unerwünschter Ereignisse hohe absolute Fallzahlen bewirken – bei einer sehr niedrigen Ereignisrate von 0,01 Prozent sind bei einer Milliarde Personen immerhin 100.000 Personen betroffen! Neben Wahrscheinlichkeiten und absoluten und relativen Häufigkeiten ist jedoch auch die Schwere dieser Ereignisse zu berücksichtigen. Auch hier fällt das Ergebnis des Vergleichs stark zugunsten der Impfung aus.
Die Eigenschaften des Masernvirus und die Übertragung rechtfertigen die Erwartung, dass bei hohen Immunisierungsraten von über 90 Prozent die Erkrankung auszurotten wäre. Nach der erfolgreichen Bekämpfung der Pocken und der beinahe erreichten Polio-Elimination ist die globale Elimination der Masern ein greifbares Ziel, das wir nicht leichtfertig verspielen sollten.
Es ist eigentlich eine unvorstellbare Situation. Wir haben ein Problem (Masern) und wir haben eine wirksame und sichere Lösung für dieses Problem (Impfung), nur es gelingt uns nicht, bei einigen die irrationalen Widerstände gegen die Annahme dieser Lösung zu überwinden. Es sind keine medizinischen oder epidemiologischen Gründe, die einer Ausrottung der Masern im Weg stehen. Genauso wie beim zuletzt stockenden Kampf gegen die Polio sind es eher gesellschaftliche Faktoren, die einen schnellen Erfolg verhindern. Um hier dennoch Erfolg zu haben, müssen diese gesellschaftlichen Faktoren in der Planung und Durchführung der Impfmaßnahmen Berücksichtigung finden. Appelle allein werden nicht ausreichen, um die Bedenkenträger zu überzeugen. Hier sind mühevolle Aufklärungsmaßnahmen notwendig.
Dennoch, bei all der Energie, die wir in die Anstrengungen zur Steigerung der Impfraten in den reichen Ländern stecken sollen, dürfen wir auch nicht übersehen, dass mehr als die Hälfte der weltweit dokumentierten Maserntodesfälle in Afrika aufgetreten sind, in Regionen, in denen die Impfstoffe häufig nicht zur Verfügung stehen oder aber Eltern nicht darüber informiert werden. Hier werden neben gezielten Impfkampagnen nur eine Verbesserung der primären Gesundheitsversorgung und eine Stärkung der Gesundheitssysteme einen nachhaltigen Erfolg ermöglichen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: