Global Health

Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen

  • Dienstag, 19. Juni 2018

Die Sekundär- und Tertiärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen, also die Verhinderung des Fortschreitens einer bekannten KHK oder pAVK oder die Kontrolle und Begrenzung der Folgen eines Myokardinfarktes oder Schlaganfalls, ist eigentlich ein dankbares Gebiet. Zum einen sind viele kardiovaskuläre Erkrankungen auch mit vergleichsweise einfachen Mitteln zu untersuchen und somit auch unter ressourcen­schwachen Bedingungen zu diagnostizieren. Zum anderen stehen für die Behandlung, die Sekundär- und Tertiärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen eine Vielzahl von Medikamenten verschiedener Stoffklassen zur Verfügung – die meisten kostengünstig als patentfreie Generika.

Umso überraschter könnte das Ergebnis einer aktuellen Studie aufgenommen werden, in der die Einnahme von sekundärprophylaktischen Medikamenten nach einem kardiovaskulären Ereignis (zum Beispiel Myokardinfarkt oder Schlaganfall) in 21 verschiedenen Ländern untersucht wurde. Hier wurde eine Stichprobe von 166.181 Probanden nach dem Vorhandensein kardiovaskulärer Ereignisse befragt.

8.492 von diesen Probanden konnten bestätigen, dass sie bereits einen Herzinfarkt erlebt hatten, eine koronare Bypass-OP, eine koronare Herzkatheterintervention oder einen Schlaganfall oder dass sie unter typischen Angina-pectoris-Beschwerden litten. Unter diesen Probanden wurde untersucht, wie viele von diesen die notwendigen und empfohlenen sekundärprophylaktischen Medikamente einnehmen – Thrombozyten­aggregationshemmer, Statine, Betablocker, ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptor-Blocker. Während in Kanada und in Schweden etwa 90 Prozent der befragten Erkrankten bestätigen konnten, wenigstens eines der notwendigen Medikamente einzunehmen, konnte dies in Südafrika oder in Indien nur etwa ein Viertel der Befragten, in Tansania gar nur zwei Prozent.

Schaut man hingegen nach denjenigen Erkrankten, die mindestens drei der notwendigen Medikamente einnehmen, also die in vielen Leitlinien empfohlene und nach den Erkenntnissen evidenzbasierter Medizin optimale sekundärprophylaktische Therapie, zeigt sich ein erschreckendes Bild. In Kanada nehmen gerade einmal 50 Prozent der Befragten die Therapie regelmäßig, in Saudi-Arabien oder in Polen etwa ein Viertel der Erkrankten und in Südafrika, Simbabwe oder Tansania keiner der Befragten.

Eine andere Studie, in der die Verfügbarkeit dieser Medikamente in den verschiedenen Ländern und Regionen untersucht wurde, konnte wenig überraschend zeigen, dass in allen Ländern die Verfügbarkeit in ländlichen Regionen schlechter ist als in städtischen, darüber hinaus verdeutlichte sie die Diskrepanz der Verfügbarkeit zwischen Ländern hoher Einkommen und Ländern niedriger und mittlerer Einkommen. Während die Verfügbarkeit in Ländern hoher Einkommen bei über 90 Prozent liegt, liegt die Verfügbarkeit in Städten in Ländern niedriger Einkommen bei nur 25 Prozent, in ländlichen Regionen in diesen Ländern gar bei nur drei Prozent.

In den letzt­genannten ländlichen Regionen sind darüber hinaus die Kosten im Verhältnis zum Haushaltseinkommen besonders hoch. Der Kauf von Thrombozyten­aggregations­hemmern, Statinen, Betablockern und ACE-Hemmern würde hier 50 Prozent der verfügbaren Haushaltseinkommen verschlingen. Ein genereller Versicherungsschutz existiert hier nicht, daher sind 75 Prozent der armen Haushalte in diesen Regionen nicht in der Lage, sich diese Medikamente zu leisten.

Weltweit sterben 18 Millionen Menschen in jedem Jahr an kardiovaskulären Erkran­kungen, das sind ein Drittel aller globalen Todesfälle. 90 Prozent dieser Todesfälle ereignen sich bei Menschen unter 60 Jahren. Eine breite Verfügbarkeit der sekundär­prophylaktischen kardiovaskulären Medikamente würde helfen, Millionen vorzeitiger Todesfälle zu verhindern oder aufzuschieben.

Gerade in armen Ländern und Regionen zeigt sich eine deutliche Diskrepanz der Einnahme der notwendigen Medikamente zwischen Reichen und Armen zulasten der Armen. Diese Ungleichheit ist ungerecht und diese Ungerechtigkeiten verschärfen sich über die Zeit, da die schlechtere oder fehlende Therapie bei den Armen häufige und vorzeitige gesundheitliche Komplikationen zur Folge hat.

Daher sollten Bemühungen intensiviert werden, die zum Ziel haben, auch in Ländern niedriger und mittlerer Einkommen und in besonders ressourcenschwachen Regionen allen Erkrankten die notwendigen sekundärprophylaktischen Medikamente zur Verfügung zu stellen. Die niedrigen Kosten der Medikamente verbunden mit der großen Zahl an Erkrankten und dem deutlichen Effekt zur Reduktion der Mortalität und Verlängerung der Lebens­erwartung versprechen, dass hier mit begrenzten Mitteln ein großer Nutzen erzielt werden kann.

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