Gratwanderung

Präimplantationsdiagnostik – die „schiefe Bahn der Eugenik“

  • Donnerstag, 4. Februar 2010

Voraussichtlich wird sich im Frühjahr der Bundesgerichtshof auf die Selbstanzeige eines Arztes hin mit der Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID) beschäftigen. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die PID mit dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) vereinbar ist. Ein Strafsenat des Berliner Kammergerichts stellte überzeugend fest, dass das „zur Tötung des Embryos führende Wegschütten“ mit dem ESchG nicht vereinbar sei. Eine große Strafkammer des Landgerichts Berlin entschied dagegen, dass der Wortlaut des Gesetzes die PID nicht verbiete.

Über die Frage, ob Präimplantationsdiagnostik mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar ist oder nicht, wird jetzt seit zehn Jahren diskutiert. Ausgelöst wurde die Debatte durch einen „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ der Bundesärztekammer und einen im gleichen Heft erschienenen Kommentar des damaligen Chefredakteurs des Deutschen Ärzteblattes, Norbert Jachertz.

Der Entwurf der Bundesärztekammer sprach sich für eine Zulässigkeit der PID aus, allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Jachertz schrieb dagegen: „Wenn mit PID die Grenze zur Selektion ungeborenen Lebens überschritten wird – und das wird sie, man mag noch so verhüllende Bezeichnungen wählen -, dann wird die Entwicklung von den wohlwollenden, wohlmeinenden Wissenschaftlern und Ärzten nicht mehr zu steuern sein. Mit PID wird schließlich die schiefe Bahn der Eugenik beschritten, wird zudem ein Tabu gebrochen, das nach den NS-Untaten errichtet wurde.“

Damit brachte er unabhängig von einem möglichen Verstoß gegen das ESChG ein weiteres bis heute nicht widerlegtes Argument gegen die PID an, nämlich die Billigung von sogenannten Lebensunwert-Urteilen, was zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderung führen könnte.

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