„Der Standort darf nicht schlecht geredet werden“
Köln – Schwere Zeiten für die Universitätsmedizin Halle. Das Land Sachsen-Anhalt will sparen und sieht sich nicht mehr dazu in der Lage, zwei hochschulmedizinische Standorte – Magdeburg und Halle – zu finanzieren. Die Proteste in Halle gegen eine mögliche Schließung waren groß (www.hallebleibt.de).
In einem Gutachten schlug der Wissenschaftsrat (WR) im Juli vor, die Universitätsmedizin Halle zu erhalten – allerdings nur in abgespeckter Form. Die Vorklinik sollte demnach geschlossen werden, alle Studierenden könnten nach den Vorstellungen des WR den vorklinischen Abschnitt in Magdeburg absolvieren.
Der Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) will bis zum Ende des Jahres Vorschläge vorlegen. Offenbar sollen beide Standorte erhalten bleiben, in welcher Form ist aber unklar.
Simone Heinemann-Meerz, Präsidentin der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, fordert: Sowohl Halle als auch Magdeburg müssen weiterhin alle Bereiche vorhalten, die ausbildungsrelevant sind und ein komplettes Medizinstudium anbieten. Alles andere wäre ihrer Meinung nach kurzsichtig – nicht zuletzt wegen des Ärztemangels.

5 Fragen an... Dr. med. Simone Heinemann-Meerz, Präsidentin der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, zur Situation der Universitätsmedizin Halle
DÄ: Der Universitätsmedizin in Halle drohen harte Einschnitte. Was bedeutet das für die Stadt und das Land Sachsen-Anhalt?
Heinemann-Meerz: Wir haben in Sachsen-Anhalt schon heute mit dem Ärztemangel zu kämpfen. Deshalb sind aus meiner Sicht beide universitätsmedizinischen Standorte – also Halle und Magdeburg – für das Land essenziell. Wenn wir hier weniger Medizinstudenten ausbilden, würde uns ein kurzfristiger Spareffekt teuer zu stehen kommen. Eine solche Maßnahme ist eben nicht nachhaltig. Denn dann haben wir später weniger Absolventen die in der Region arbeiten.
Wir wissen: Wer einmal das Mikroklima und die Lebensqualität hier vor Ort erlebt hat, lernt das durchaus zu schätzen. Derzeit bleiben über 60 Prozent der Studierenden auch nach dem Examen in Sachsen-Anhalt. Das sehen wir an den Anmeldungen bei der Ärztekammer. Und diese Ärzte brauchen wir dringend. Ansonsten können wir kaum mit Zuzug von Ärzten rechnen. Wir müssen uns unsere Ärzte schon selbst ausbilden.
Für die Stadt Halle ist es natürlich auch ein wirtschaftlicher Faktor. An der Universitätsmedizin hängen mehrere Tausend Arbeitsplätze. Indirekt – etwa bei Zulieferfirmen, Caterern etc. – sind es noch viel mehr. Außerdem hätten die Einschnitte auch Auswirkungen auf die Versorgung. Universitätskliniken haben neben und Forschung und Lehre auch den Auftrag, die Versorgung zum Beispiel von komplexen Krankheitsverläufen oder seltenen Erkrankungen sicherzustellen. Das wäre dann nicht mehr gewährleistet.
DÄ: Nach einem Gutachten des Wissenschaftsrates soll der vorklinische Studienabschnitt in Halle geschlossen werden. Die Studierenden sollen die Vorklinik in Magdeburg absolvieren. Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?
Heinemann-Meerz: Nach meiner Einschätzung sind diese Pläne vom Tisch. Sie sind politisch nicht durchsetzbar – auch wegen der großen Proteste hier in Halle. Außerdem sind die Empfehlungen nicht vermittelbar. Denn gerade die Qualität der Vorklinik in Halle in Bezug auf Forschung und Lehre ist gut. Wenn man fordert, die Vorklinik in Halle zu schließen, entbehrt das jeder Grundlage.
DÄ: Wie könnte denn eine Lösung aus Ihrer Sicht aussehen? Das Land Sachsen-Anhalt ist ja nach wie vor in einer finanziell schwierigen Lage.
Heinemann-Meerz: Beide Standorte müssen erhalten bleiben. Sowohl Magdeburg als auch Halle müssen alle Bereiche vorhalten, die ausbildungsrelevant sind. In anderen Bereich kann man sicher überlegen, inwiefern Reduktionen und Kooperationen möglich sind. Denkbar wären auch eine Zusammenarbeit mit anderen Kliniken – zum Beispiel mit den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost in Halle, die auf hohem Niveau arbeiten. Da wird man abwarten müssen, welche Vorschläge die vom Land eingesetzte Kommission macht.
Grundsätzlich ist es eine politische Entscheidung, wie viel man in die Universitätsmedizin und die künftige Versorgung investieren will. Dabei sollten die Verantwortlichen bedenken: Wer heute übermäßig spart, dem fällt das vielleicht in einigen Jahren auf die Füße.
Zu überdenken ist meiner Meinung nach auch das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Hochschulbereich. Für ein armes Land wie Sachsen-Anhalt ist das problematisch. Der Bund müsste hier eine stärkere finanzielle Verantwortung übernehmen. Auch ein Zuschlag für Aus- und Weiterbildung bei den DRGs ist notwendig.
DÄ: Der Wissenschaftsminister Hartmut Möllring will erst Ende 2013 ein Konzept vorlegen. Frühestens dann wird über die Zukunft der Universitätsmedizin Halle entschieden. Was bedeutet diese Ungewissheit für den Standort?
Heinemann-Meerz: Nach allem was ich höre, ist das ein großes Problem bei Berufungsverfahren. Es gibt mehrere offene Stellen. Insofern kann man nur die Landesregierung auffordern, dem Standort Halle auch in der Kommunikation nach außen eine Sicherheit zu geben. Der Standort darf nicht schlecht geredet werden, weil er es nicht ist und weil er es nicht verdient hat.
DÄ: Die Zahnklinik in Halle muss dringend saniert werden. Bereits bewilligte Landesmittel können aber nicht abgerufen werden, da in Sachsen-Anhalt derzeit alle Hochschulbaumaßnahmen auf Eis liegen. Wie ist die Situation dort?
Heinemann-Meerz: Die Arbeitsbedingungen in der Zahnklinik sind katastrophal. Das Gebäude ist stark sanierungsbedürftig. Die Mitarbeiter arbeiten derzeit in Containern. Die Ausbildung findet im Zweischichtsystem statt, was schon logistisch eine Meisterleistung ist. Ein Umzug in ein anderes Gebäude ist dringend erforderlich und auch möglich. Die sieben Millionen Euro, die bereits im Haushalt 2012/13 für die Sanierung vorgesehen waren, stehen aber derzeit nicht zur Verfügung. Mittlerweile hat sich die private Initiative „Zahn um Zahn“ gegründet, die schon 20.000 Euro an Spenden gesammelt hat.
Die Situation der Zahnklinik ist vor allem auch deshalb nicht hinnehmbar, weil die Zahnmedizin in Halle im Hochschulranking regelmäßig an der Spitze liegt. Außerdem ist es die einzige Zahnklinik in Sachsen-Anhalt. Wenn die Landesregierung hier nicht aktiv wird, dann wird sich sicher in Halle erneut Protest formieren.
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