Digitalanwendungen: Projekt will Innovationen in Versorgung bringen

Berlin – Die Medizininformatikinitiative (MII) will im Rahmen eines neuen Projekts die Übertragung neuer digitaler Anwendungen von der Entwicklung in die Versorgung verbessern. Dazu soll auch der Aufbau eines Simulations- und Usabilitylabors gefördert werden.
Technische Innovationen und regulatorische Rahmenbedingungen gehen häufig nicht reibungslos ineinander über. Zwar würden Wissenschaftler an den Universitäten häufig innovative Lösungen entwickeln, erklärte die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF).
Diese würden aber oftmals nie in der Patientenversorgung ankommen, weil sie die Hürden der regulatorischen Anforderungen an ein Medizinprodukt nicht überwinden können.
Die Beispiele reichen von digitalen Assistenten, die bei der Diagnosefindung und Therapieauswahl bei seltenen Erkrankungen unterstützen, über Software, die in Röntgenbildern auf krankhafte Veränderungen hinweist, bis zu Algorithmen, die frühzeitig vor Kontraindikationen oder Wechselwirkungen von Medikamenten warnen. Das Verbundprojekt „Fit4translation“ soll diese Herausforderungen nun angehen.
„In Fit4translation möchten wir die Kompetenzen von Forschenden für regulatorische Aspekte von Medical Device Software zur klinischen Entscheidungsunterstützung an der Schnittstelle zwischen medizinischer Forschung und klinischer Erprobung auf dem Weg in die Routineversorgung im Sinne einer gemeinsamen translationalen Forschung stärken“, erläuterte die Projektkoordinatorin Myriam Lipprandt von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.
Um klinische Entscheidungsunterstützungssysteme in der Versorgung, also an Patientinnen und Patienten einsetzen und erforschen zu dürfen, müssten die Entwicklung und der Betrieb den Regeln der Europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Directive, MDR) folgen – deren Regeln für kleine Arbeitsgruppen an Universitäten genauso gelten wie für große Unternehmen, die für diesen Bereich eigene Abteilungen vorhalten.
„Wir möchten mit unserem Projekt Fit4translation Methoden und Prozesse entwickeln und evaluieren, die an den Universitäten umsetzbar sind und trotzdem die Anforderungen der MDR erfüllen“, sagte Lipprandt. Dazu müsse man sehr früh eine Translationsstrategie entwickeln, also den Weg bis zur ersten Erprobung an Patienten.
Dabei helfe ihr die Erfahrung als wissenschaftliche Leiterin des Translationszentrums der RWTH Aachen weiter. Ergänzt wird das Projektteam durch Michael Stork von der Uni Münster, der am dortigen Institut für Medizinische Informatik forscht und Erfahrung als Softwareentwickler und Qualitätsmanagementbeauftragter einbringt.
„Im Informatikstudium lernt man wenig über die notwendige technische Dokumentation“, betonte Storck. „Mustertexte, Vorlagen und Beispiele erleichtern den Einstieg in die Thematik.“ Das Simulations- und Usabilitylabor soll dabei helfen, die Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit von medizinischer Software und digitalen Medizinprodukten zu untersuchen.
Die Patientensimulatoren sollen dem Projektteam ermöglichen, kontrolliert und reproduzierbar das Verhalten der Anwender bei der Bedienung der Medizinprodukte zu beobachten, auch in völlig realistischen kritischen Situationen, ohne einen Patienten zu gefährden.
Das von Lipprandt geleitete Labor soll für verschiedene Anwendungsszenarien aus der perioperativen sowie der Intensiv- und Notfallmedizin im Rahmen von Forschungskooperationen zur Verfügung stehen.
Hinzu kommt die Einbindung der Software in die lokalen Netzwerke sein. „Es reicht nicht, dass die Software an sich gut funktioniert: sie muss auch gut und sicher in einer komplexen IT-Landschaft zu betreiben sein“, betonte Sven Zenker, Leiter des Datenintegrationszentrums an der Uniklinik Bonn. Er und sein Team sollen Kompetenzen im Bereich Risikomanagement in Medizin-IT-Netzwerken in das Projekt einbringen.
Das Problem liege dabei nicht in den einzelnen Anwendungen. „Die Herausforderung ist, die regulatorischen Anforderungen früh genug in dem Forschungsprojekt zu berücksichtigen“, sagte Julian Varghese, Leiter des Instituts für Medizinische Informatik der Uni Münster.
Daher müsse das Projekt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sensibilisieren, bereits in der ersten Planungsphase eines Forschungsprojektes an die Translation zu denken. „Wir müssen diese Art, Translation zu denken zusammen mit Anleitungen zur praktischen Umsetzung in verschiedenen Lehrformaten vermitteln“, mahnt Varghese.
Auch deshalb wird das Projekt durch Beratungsangebote ergänzt, die das Fit4translation-Team über die TMF Arbeitsgruppe Medizinische Software und Medizinprodukterecht (AG MSM) anbietet. „Die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe ist wichtig, damit wir die Ergebnisse dieses Projektes verbreiten und vor allem die Expertise in der Community verstetigen können“, erläuterte Lipprandt.
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