MFT: Ausgründungen, Prävention von Machtmissbrauch und Studierendenauswahl auf der Agenda

Freiburg – Die Medizinischen Fakultäten wollen einen Technologietransfer aus der Forschung in die klinische Anwendung bestmöglich unterstützen. Um diese Translation zu realisieren, will die Universitätsmedizin künftig Ausgründungen besondere Aufmerksamkeit widmen.
Ausgründungsprozesse – ein Schwerpunktthema auf dem diesjährigen Ordentlichen Medizinischen Fakultätentag (oMFT) – seien von großer Bedeutung für einen erfolgreichen Technologietransfer, waren sich die Vertreterinnen und Vertreter der Medizinischen Fakultäten in Freiburg einig.
Gemeinsam mit dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) verabschiedete der Medizinische Fakultätentag (MFT) am Rande des oMFT ein Papier mit Empfehlungen zu Ausgründungen und den Rahmenbedingungen für Ausgründungen.
Darin werden die Konditionen der sogenannten „USIT-Guides“ übernommen, die im anglo-amerikanischen Sprachraum zwischen dortigen Universitäten, Gründern und Investoren ausgehandelt und bereits erprobt wurden.
„Damit können wir nicht nur den Gründerinnen und Gründern einen verlässlichen Startpunkt für gemeinsame Gespräche mit ihren Forschungseinrichtungen bieten“, sagte Matthias Frosch, bisheriger Präsident des MFT. „Wir sind damit auch unmittelbar anschlussfähig für international tätiges Venture Capital.“
Frosch wies darauf hin, dass auch der neue Koalitionsvertrag an mehreren Stellen Akzente zur Stärkung und Beschleunigung des Transfers wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Anwendung setze. „Gerade die Universitätsmedizin ist hierbei ein ganz wichtiger Innovationsmotor“, befand er.
Im Forum Gesundheitsforschung des Bundesforschungsministeriums sei zudem kürzlich erst ein Empfehlungspapier zur Förderung akademischer Ausgründungen und Unterstützung des Transfers in der biomedizinischen Forschung verabschiedet worden. Auch der MFT sei an dessen Erstellung beteiligt gewesen.
Diese Empfehlungen sollen gleichermaßen gründungsinteressierten Wissenschaftlerinnen und Forschern, den biomedizinischen Forschungseinrichtungen sowie auch nationalen und internationalen Investoren helfen, zügig zu interessenwahrenden und verlässlichen Vereinbarungen als Grundlage für eine erfolgreiche Ausgründung zu gelangen, erläuterte Bernd Weber, Dekan der Medizinischen Fakultät Bonn. Denn gerade Forschende und Institute hätten mit Ausgründungen wenig Erfahrungen, was dann wiederum Investoren „verprellen“ könne.
Auf dem oMFT wurden auch mit der Industrie Lösungsansätze diskutiert. Dabei zeigte sich, dass gerade im Bereich der medizinischen Lebenswissenschaften Ausgründungen nicht trivial sind. „Es gibt viele Rückschläge, mit denen man klarkommen muss“, bestätigte Isabel Nahal Schellinger.
Die junge Ärztin gründete im Jahr 2017 Angiolutions, eine Firma, die Behandlungsverfahren für Gefäßerkrankungen entwickelt. Auf die Idee sei sie während eines Forschungsaufenthalts an der Stanford University in Kalifornien gekommen, berichtete sie. Von der Universität hätten sie und ihr Mitgründer viel Unterstützung erhalten, was gerade zu Beginn dringend notwendig gewesen sei.
Dass Unterstützung „unabdingbar“ sei, bekräftigte auch Matthias Meergans, Geschäftsführer Forschungspolitik beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). „Gründen ist ein Mannschaftssport“, sagte er. Die Arzneimittelhersteller seien an Kooperationen mit den Forschenden interessiert. Zu beachten sei, dass immer auch die spezifischen Rahmenbedingungen der Biomedizin adäquat berücksichtigt werden müssten. Dies erforderte Finanzmittel und das spezifische Wissen.
Machtgefälle auch an den Fakultäten
Ein weiteres Schwerpunktthema des oMFT war in diesem Jahr die Vermeidung von Machtmissbrauch in der Wissenschaft. Machtmissbrauch sei nicht spezifisch für die Universitätsmedizin, betonte Frosch in seiner gestrigen Auftaktrede.
Aber es bestehe ein Risiko dafür in allen institutionellen und gesellschaftlichen Situationen, in denen ein Machtgefälle herrsche. Dabei könne es um Hierarchien, um Wettbewerb um Ressourcen oder Reputation oder um persönliche Bewertungen und Karrieren gehen.
„Die Wissenschaft vereint mehrere dieser Risikofaktoren und bildet bei diesem Thema daher leider keine Ausnahme“, so Frosch. „Als Besonderheit im akademischen Setting kommt hinzu, dass wir im Rahmen von Ausbildung und Karriereentwicklung regelmäßig beurteilen und bewerten müssen.“ Deswegen sei klar, dass sich die Medizinischen Fakultäten mit dem Thema Machtmissbrauch, seiner Prävention und dem Umgang damit beschäftigen müssten, so Frosch.
„Das Feld des Machtmissbrauchs ist weit“, sagte heute Jochen Sautermeister, Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn und Universitätsbeauftragter gegen Machtmissbrauch. An den Hochschulen seien unterschiedliche Formen von Machtmissbrauch in den letzten Jahren sichtbar geworden - nicht nur sexualisierte Gewalt, an die häufig zuerst gedacht werde, so Sautermeister.
Eine besondere Herausforderung sei die Verhinderung von Machtmissbrauch unterhalb der Schwelle rechtlicher Verstöße sowie bei Ängsten von Personen, die eigentlich rechtliche Möglichkeiten hätten.
Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, wies heute auf die Besonderheiten von Hochschulen bezüglich Machtmissbrauch hin. Dort gäbe es „eine außergewöhnliche Akkumulation von Macht“. Professorinnen und Professoren seien häufig in einer Person Vorgesetzte, Betreuende und Gutachtende von Qualifizierungsarbeiten und entschieden oft in alleiniger Verantwortung.
Den Hochschulen komme daher eine besondere Verantwortung in der Etablierung einer positiven Führungskultur, Transparenz, Meldestellen sowie der kritischen Reflexion von bestehenden Machtgefällen zu, um Machtmissbrauch vorzubeugen und ihm adäquat zu begegnen. „Einige Machtgefälle werden bleiben, aber man muss gegensteuern“, sagte er. Nötig seien die Bewusstseinsbildung und systematische Schulung aller Hochschulmitglieder zu Themen des Machtmissbrauchs, so Rosenthal.
Gegengesteuert wird beispielsweise an der Universität Würzung. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Würzburg, berichtete von Veränderungen, die man dort – basierend auf einer Ringvorlesung zum Thema Machtmissbrauch - vorgenommen habe.
Es seien eine anonyme Meldeplattform installiert und verschiedene Beratungsstellen eingerichtet worden, deren Informationsfluss zudem synchronisiert worden sei. „Die Vermeidung von Machtmissbrauch ist eine Frage des Miteinanders auf Augenhöhe“, so von Oertzen. „In Würzburg dulden wir Machtmissbrauch nicht.“
Suche nach den optimalen Studierenden
Welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den optimalen Studierenden Zugang zum Medizinstudium zu gewähren, bildete heute einen weiteren Themenschwerpunkt beim oMFT in Freiburg. Anlass, dieses Thema auf die Tagesordnung zu heben, sei die immer wieder aufkommende Diskussion, dass „die falschen“ Studierenden zum Studium zugelassen würden, hieß es beim MFT.
„Wir wählen aber nicht die Falschen aus“, sagte Martina Kadmon, die neue Präsidentin des MFT. Die Studienabbrüche seien nach den Änderungen des Auswahlverfahren tendenziell sogar noch gesunken. „Zudem lässt sich durch ein Auswahlverfahren nicht vorhersagen, wer ein guter Arzt oder eine gute Ärztin werde“, sagte Wolfgang Hampe vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Aber der Studienerfolg lässt sich vorhersagen.“
Nach den umfassenden Veränderungen der Medizinstudierendenauswahl nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2017 bestünde der Eindruck fort, dass der Zugang zum Medizinstudium immer noch insbesondere mit der Abiturleistung verbunden sei, erläuterte Kadmon. Die Abiturnote spiele auch tatsächlich bei vielen Auswahlverfahren noch eine große Rolle. „Wir als Fakultäten haben da aber Spielräume, die Abiturnote nicht so hoch zu gewichten“, sagte sie. Es brauche aber den Mut, diese zu nutzen.
Kritisch bewertete Kadmon heute allerdings die Vorabquoten. Sie seien für die jungen Menschen eine „Vorwegnahme mehrerer Entscheidungen ohne die Kenntnis um die eigene Neigung und Eignung“, aber „keine Lösung für Versorgungsengpässe“, sagte sie.
Zum Hintergrund: Da es in Deutschland immer schwieriger wird, die primärärztliche Versorgung in unterversorgten Regionen zu sichern, haben elf Bundesländer haben bereits Landarztquoten (LAQ) eingeführt, vier Bundesländer auch eine Quote für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Damit werden Medizinstudienplätze an sehr junge Bewerbende vergeben, die sich verpflichten, später in diesen Fachgebieten zu arbeiten.
„Es ist absurd, Versorgungssicherheit über die Studierendenauswahl garantieren zu wollen“, befand heute Florian Hertel, Leiter der BMBF-geförderten Nachwuchsforschungsgruppe ACCESS – Institutionelle Hürden bei Studienentscheidungen, Europa-Universität Flensburg.
Mit dieser Ansicht stand er nicht allein: „Es ist fraglich, ob man der Bevölkerung mit diesen Quoten einen Gefallen tut“, meinte auch Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg und Co-Vorsitzender des Ausschusses „Ausbildung und Universitätsmedizin“ der Bundesärztekammer.
Die Quoten würden die Engpässe nicht lösen, zumal sie erst frühestens nach Abschluss der Facharztqualifikation, also erst nach mindestens zwölf Jahren nach der Zulassung zum Studium greifen würden. „Wir sollten den natürlichen akademischen Wegen Spielraum lassen und die Möglichkeit geben, ein Gleichgewicht herzustellen“, sagte Emami.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: