Schweinelungen aus Schlachtabfällen ersetzen Tierversuche

Homburg/Saar – Zwei Forschungsteams aus Medizin und Ingenieurwissenschaft haben an der Universität des Saarlandes ein Verfahren entwickelt, um die Lunge geschlachteter Schweine bis zu 24 Stunden stabil zu halten und für Forschungszwecke zu nutzen.
„Wir schaffen mit dem Lungenmodell eine universelle Forschungsplattform, an der wir vielfältigere Tests möglich machen, als dies bei Versuchstieren der Fall wäre“, erklärte Thomas Volk, der den Lehrstuhl für Anästhesiologie der Universität des Saarlandes innehat. Unter echten Bedingungen lassen sich so etwa neue Wirkstoffe testen. Das Organ kann auch ausgespült und die Zusammensetzung der so gewonnenen Flüssigkeit analysiert werden.
„Wir können auch Wirkstoffe dem Blut zusetzen, das die Lunge versorgt, und messen anschließend deren Konzentration berührungslos in der Ausatemluft. Dadurch können wir mit dem Modell etwa die individuelle Dosierung von Arzneistoffen erforschen und die Möglichkeiten der Medikamentenüberwachung erweitern“, ergänzte Sascha Kreuer.
Er leitet das Labor für experimentelle Anästhesiologie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Gemeinsam mit Volk und mit Christian Bur arbeitet Kreuer daran, Tierversuche für die pharmazeutische und medizinische Forschung zu reduzieren und durch die lebende Lunge als neuartiges universelles, fachübergreifend nutzbares Testmodell zu ersetzen.
Der Arbeitsgruppe ist es gelungen, die sonst als Schlachtabfall endenden Schweinelungen 24 Stunden lang zu stabilisieren – als lebendes Organ mit einem intakten Stoffwechsel. „Es handelt sich um ein lebendes Organ. Wir müssen die Lunge permanent befeuchten und ihren Stoffwechsel in Gang halten“, so Kreuer.
Das neue Verfahren erfordert Entwicklungen in verschiedenen Bereichen: So erarbeiteten die Wissenschaftler die zahlreichen Handlungsschritte, um die Lunge zu versorgen. Außerdem stimmt das Team die technischen Vorrichtungen zur Analyse der Ausatemluft ab.
„Die sensortechnische Herausforderung in diesem Projekt liegt darin, die Substanzen in sehr geringen Konzentrationen zu messen. Die Ausatemluft besteht aus einem regelrechten Cocktail an vielen verschiedenen gasförmigen Stoffen, von Kohlendioxid, Stickstoff bis hin zu einer Vielzahl kleinster Spuren an Substanzen, die von Mensch zu Mensch und von Tier zu Tier variieren“, sagte Christian Bur, der an neuartigen Gas-Sensorsystemen forscht, um flüchtige organische Verbindungen genauer zu erfassen.
Die Arbeitsgruppen gehören mit ihrem Projekt der „3R-Plattform Saar“ an: Auf Initiative der Universität des Saarlandes haben sich auf dieser Plattform zahlreiche Partner zusammengeschlossen mit dem Ziel, Tierversuche zu vermeiden, zu vermindern und zu verbessern.
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