Wissenschaftsrat empfiehlt stärkere Verzahnung von Klinik und Vorklinik

Berlin – Die medizinischen Fächer an den Universitäten müssen sich nach Ansicht des Wissenschaftsrates (WR) weiterentwickeln. Dafür sei eine konzertierte Strategiebildung auf allen Ebenen sowie die gezielte Förderung und stärkere Verzahnung der vorklinischen und klinisch-theoretischen Fächer mit den klinischen Schwerpunkten entscheidend, heißt es in den Empfehlungen, die der Rat heute im Anschluss an seine Herbstsitzungen vorstellte.
„Wir empfehlen eine klare Profilierung der einzelnen Standorte mit Fokussierung auf ihre Stärken“, sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick. Die medizinischen Fächer und vor allem ihre Inhalte müssten zwar in der Summe bewahrt und weiterentwickelt werden, um den Fortbestand des Wissens- und Methodenbestands der gesamten Medizin nicht zu gefährden. Es müsse aber nicht jeder Standort zwangsläufig jedes Fach mit derselben Struktur, Differenzierung und Schwerpunktbildung vorhalten und weiterentwickeln.
Die Hochschulmedizin in Deutschland stehe vor großen Herausforderungen wie einer alternden Bevölkerung, dem Fachkräftemangel, Kostendruck sowie hohen Anforderungen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung, erläuterte Wick weiter. Trotz dieser Bedingungen gelte es, die hohe Qualität der ärztlichen Ausbildung zu wahren.
„Die Zukunft der Medizin liegt in der ganzheitlichen Weiterentwicklung aller Fächer“, betonte der Arzt. „Die Hochschulmedizin muss dabei auch Fächer unterhalten, die aus ökonomischer Sicht nicht rentabel sind, die aber für Forschung, Lehre oder Versorgung essenziell sind.“
Vor diesem Hintergrund habe der Wissenschaftsrat Empfehlungen zur Entwicklung der medizinischen Fächer erarbeitet, die die systemtragende Rolle der Hochschulmedizin und der beteiligten Disziplinen stärken sollen, so Wick. Sie beruhten auf einer breit angelegten Analyse und Befragung medizinischer Fachgesellschaften sowie der Medizinischen Fakultäten in Deutschland.
Der Fokus des Papiers liege auf den vorklinischen und klinisch-theoretischen Fächern, die oft im Schatten der klinisch-praktischen Fächer stünden. „Dennoch sind sie unverzichtbar für die medizinische Ausbildung, Forschung und damit auch eine hochwertige Gesundheitsversorgung“, so der Ratsvorsitzende. „Unsere Empfehlungen adressieren deshalb eine Stärkung der Verzahnung von vorklinischen und klinischen Fächern“, sagte Wick.
Damit passten die neuen Empfehlungen zu den Vorschlägen für die Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung. Diese sei allerdings immer noch nicht verabschiedet, sondern hänge aufgrund von Finanzierungsfragen noch bei den Ländern, bedauerte er. „Wir hoffen, mit unseren Empfehlungen etwas Schwung und Druck in diese Angelegenheit zu bringen.“
Die einzelnen Ansätze erläuterte Martina Kadmon, Präsidentin des Medizinischen Fakultätentages (MFT) und Mitglied der Arbeitsgruppe „Fachliche Entwicklung der Medizin“ beim Wissenschaftsrat, näher: Der Hochschulmedizin komme eine systemtragende Rolle zu, dafür müssten die hochschulmedizinischen Standorte effizient und effektiv ausgestaltet sein, betonte sie. Fokussierung und Profilierung seien dafür nötig. „Nicht jedes Fach muss an jedem Standort vorhanden sein – entscheidend ist jedoch, dass die vorhandenen Fächer inhaltlich und strukturell konsequent gestärkt werden.“
Neben diesem strategischen Portfoliomanagement empfiehlt der Rat eine Stärkung der Sichtbarkeit vorklinischer und klinisch-theoretischer Fächer. Diese könnten in standortübergreifende Forschungsstrukturen, Departments oder Netzwerke eingebunden und stärker mit außeruniversitären Institutionen und Wirtschaftspartnern vernetzt werden, erläuterte Kadmon.
Für notwendig hält das Gremium zudem eine Förderung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in frühen Karrierephasen. „Die Programme für Clinician Scientists und Medical Scientists sollten ausgebaut und langfristig gesichert werden, um Forschung und wissenschaftliche Karrierewege attraktiver zu gestalten“, sagte Kadmon. Dabei stehe man auch in Kontakt mit den Landesärztekammern, um eine Anerkennung der Forschungszeiten auf die Weiterbildung zu erreichen.
Zudem spricht sich der Rat für eine Öffnung von Fächergrenzen aus. Kooperationen mit Lebens- und Naturwissenschaften, Informatik und Gesundheitsfachberufen könnten innovative Forschungs- und Lehrkonzepte ermöglichen und stärken sowie die Medizin als Wissenschaftsdisziplin noch attraktiver machen.
Aufgrund ihrer besonderen Rolle an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Rechtssystem geht der Rat in seinem Papier näher auf die Rechtsmedizin ein. Sie sei für eine flächendeckend bedarfsgerechte Vorhaltung rechtsmedizinischer Kompetenz unerlässlich.
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