Medizin

Allopurinol kann Progression einer Niereninsuffizienz in Studien nicht aufhalten

  • Donnerstag, 9. Juli 2020
/Crystal light, stock.adobe.com
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Sydney und Minneapolis – Die Behandlung mit dem Urikostatikum Allopurinol hat in 2 randomisierten Studien an Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz erwartungs­gemäß den Harnsäurespiegel gesenkt, einen weiteren Verlust der Nierenfunktion jedoch nicht aufhalten können, wie die jetzt im New England Journal of Medicine (2020; 382: 2493-2503 und 2504-2513) publizierten Ergebnisse zeigen.

Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz haben häufig einen erhöhten Harnsäure­spiegel. Ob die Harnsäure für die Nierenschädigung verantwortlich ist oder der Anstieg nur auf eine verminderte Clearance durch die geschädigten Nieren zurückzu­führen ist (oder beides), konnte in epidemiologischen Studien nicht geklärt werden.

In den letzten Jahren wurden deshalb 3 größere randomisierte Studien durchgeführt. Die Ergebnisse der „FEATHER“-Studie wurden bereits vor 2 Jahren im American Journal of Kidney Diseases (2018; DOI: 10.1053/j.ajkd.2018.06.028) publiziert.

An 55 Kliniken in Japan waren 467 Patienten mit Hyperurikämie und einer chronischen Niereninsuffizienz im Stadium 3 auf eine Behandlung mit dem Urikostatikum Febuxostat oder Placebo randomisiert worden. Nach 2 Jahren hatte sich die Nierenfunktion in beiden Studienarmen weiter verschlechtert. Ein Vorteil durch die Behandlung mit Febuxostat war nicht erkennbar, obwohl die Harnsäurewerte im Blut deutlich gesunken waren.

Jetzt stellen Mediziner aus den USA und Australien die Ergebnisse aus 2 weiteren randomisierten Studien vor. An der „CKD-FIX“-Studie waren 363 Patienten im Stadium 3 oder 4 einer Niereninsuffizienz (mittlere glomeruläre Filtrationsrate, eGFR 31,7 ml/min/1,73m2) auf eine Behandlung mit Allopurinol oder Placebo randomisiert worden. Das primäre Ziel war, den weiteren Abfall der eGFR zu vermindern oder gar zu stoppen.

Dies gelang nicht, wie Sunil Badve vom George Institute in Sydney und Mitarbeiter jetzt eingestehen mussten. Allopurinol hatte zwar den Harnsäurespiegel im Mittel um 2,7 mg/dl gesenkt. Dies hatte jedoch keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Nieren­funktion.

Die eGFR fiel während der 2-jährigen Studie um 3,33 ml/min/1,73m2. In der Placebogruppe verloren die Patienten 3,23 ml/min/1,73m2, also weniger als in der Allopurinolgruppe. Die Differenz von minus 0,10 ml/min/1,73m2 war mit einem 95-%-Konfidenz­intervall von minus 1,18 bis minus 0,97 jedoch nicht signifikant.

In der PERL-Studie waren 530 Patienten mit Typ-1-Diabetes im Alter von durchschnittlich 51,1 Jahren und mit einer durchschnittlichen Diabetesdauer von 34,6 Jahren auf eine Behandlung mit Allopurinol oder Placebo randomisiert worden.

Es gelang, den Harnsäurespiegel deutlich (von 6,1 auf 3,9 mg/dl) zu senken. Wie Alessandro Doria vom Joslin Diabetes Center in Minneapolis und Mitarbeiter berichten, verschlechterte sich die Iohexol-basierte GFR in der Allopurinol-Gruppe um 3,0 ml/min/1,73m2, in der Placebo-Gruppe dagegen nur um 2,5 ml/min/1,73m2. Auch hier war die Differenz von minus 0,6 ml/min/1,73m2 mit einem 95-%-Konfidenzintervall von minus 1,5 bis 0,4 ml/min/1,73m2 nicht signifikant.

Nach 3 Negativstudien sind die Chancen, dass ein Vorteil der Therapie aus irgendeinem Grund übersehen wurde, sehr gering. Die Patienten waren in den Studien allerdings in einem relativ fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung behandelt worden, wendet Daniel Feig von der University of Alabama School of Medicine in Birmingham ein.

Der Editorialist weist auf eine Reihe von in-vitro-Untersuchungen und tierexperimen­tellen Studien hin, die die Wirkung einer Harnsäuresenkung plausibel erscheinen lassen. Vielleicht, so der Mediziner, müsse die Behandlung früher begonnen werden.

Diese Hypothese müsste jedoch zunächst in einer weiteren randomisierten Studie untersucht werden, denn ohne nachgewiesenen Nutzen wäre es kaum zu vertreten, die Patienten über Jahre den Nebenwirkungen einer Behandlung mit Allopurinol oder neueren Harnsäuresenkern auszusetzen.

rme

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