Bakterien helfen bei Herstellung von Paracetamol aus alten PET-Flaschen

Edinburgh – Kolibakterien können Abbauprodukte von PET-Flaschen in den Wirkstoff Paracetamol umwandeln. Diesen Machbarkeitsnachweis führten schottische Biotechnologen, indem sie im Labor nicht-enzymatische Reaktionen und gentechnisch veränderte Bakterien zusammenbrachten – manche Fachleute sprechen von biokompatibler Chemie.
Die Ergebnisse veröffentlichte das Team um Stephen Wallace von der Universität Edinburgh im Fachblatt Nature Chemistry (2025; DOI: 10.1038/s41557-025-01845-5). Auch ein Forschender des Pharmakonzerns Astrazeneca war an der Arbeit beteiligt.
„Die Natur hat eine Reihe exquisiter, aber begrenzter chemischer Reaktionen entwickelt, die die Funktion aller lebenden Organismen unterstützen“, schreiben die Studienautoren und -autorinnen.
Im Gegensatz dazu könne die synthetische organische Chemie auf eine Reaktivität zurückgreifen, die in der Natur nicht vorkomme. „Die Integration dieser abiotischen Reaktionen in lebende Systeme bietet eine elegante Lösung für die nachhaltige Synthese vieler industrieller Chemikalien aus erneuerbaren Rohstoffen“.
Paracetamol werde traditionell aus fossilen Brennstoffen wie etwa Erdöl hergestellt, heißt es in einer Mitteilung der Universität Edinburgh. Der neue Ansatz hingegen verursache nahezu keine CO2-Emissionen und sei nachhaltiger.
„Diese Arbeit zeigt, dass PET-Plastik nicht einfach nur Abfall oder ein Material ist, das dazu bestimmt ist, zu mehr Plastik zu werden. PET kann von Mikroorganismen in wertvolle neue Produkte umgewandelt werden, einschließlich solcher, die das Potenzial zur Behandlung von Krankheiten haben“, sagte Wallace einer Mitteilung zufolge.
Ausgangspunkt der Synthese war eine alte Flasche aus dem Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET). Er wird für Wasserflaschen und Lebensmittelverpackungen verwendet . Die Forschenden spalteten PET zunächst chemisch in bestimmte Esterverbindungen auf.
Diese wurden dann in Kulturmedium in Anwesenheit von Escherichia coli-Bakterien (E. coli) nicht-enzymatisch zu p-Aminobenzoesäure (PABA) umgewandelt. Diese Umwandlung in PABA, der sogenannte Lossenabbau, kommt eigentlich nicht in der Natur vor und findet in der Regel unter Bedingungen statt, mit denen Bakterien nicht klarkommen.
Den Forschenden um Wallace gelang es nun aber, den Lossenabbau so stattfinden zu lassen, dass die Bakterien keinen Schaden nehmen. Sie waren gentechnisch so verändert, dass sie aus dem entstandenen PABA Paracetamol herstellen konnten.
Dabei half ein Gen des Pilzes Agaricus bisporus sowie ein Gen des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa. Durch Feintuning der Bedingungen gelang es den Forschenden, eine 92 prozentige Umwandlung des Esters, der aus den PET-Abfällen gewonnen worden war, in Paracetamol zu erreichen. Der ganze Prozess fand bei Raumtemperatur statt und dauerte den Forschenden zufolge weniger als 24 Stunden.
Ein Team um Matthew Wook Chang von der National University of Singapore schreibt in einem begleitenden Kommentar (2025; DOI: 10.1038/s41557-025-01863-3): „Da die Industrie auf der Suche nach umweltfreundlicheren Alternativen zu fossilen Ressourcen ist, wird die Integration biokompatibler chemischer Reaktionen in Stoffwechselwege den Werkzeugkasten für die Abfallverwertung erweitern. Fortschritte in der biokompatiblen Chemie haben das Potenzial, effizientere Biosynthesewege für komplexe Verbindungen zu erschließen und damit die Entwicklung nachhaltiger und umweltfreundlicher Bioprozesse voranzutreiben.“
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