Medizin

Brustkrebs: Mendelsche Randomisierung bestätigt Bewegungsmangel als Risikofaktor

  • Donnerstag, 8. September 2022
/Dudarev Mikhail, stock.adobe.com
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Melbourne – Frauen, die körperlich aktiv sind und wenig Zeit im Sitzen verbringen, erkranken seltener an Brustkrebs. Dies zeigen die Ergebnisse einer Mendelschen Randomisierung im British Journal of Sports Medicine (2022; DOI: 10.1136/bjsports-2021-105132), die die Ergebnisse aus früheren Beobachtungsstudien bestätigen.

Mangelnde körperliche Bewegung gilt schon seit längerem als eine weithin unterschätzte Ursache für Krebserkrankungen nicht nur der weiblichen Brustdrüse. Eine frühere Studie ermittelte signifikante Assoziationen zu 13 Krebserkrankungen, wobei Auswirkungen auf das Brustkrebsrisiko noch mit am geringsten waren (JAMA Internal Medicine 2016; 176: 816-825).

In den letzten Jahren wurden die Ergebnisse aus epidemiologischen Studien durch sogenannte Mendelsche Randomisierungen gestützt. Diese Untersuchungen gehen von bestimmten Genvarianten (SNP) aus, die in genom-weiten Assoziationsstudien (GWAS) mit einer verminderten körperlichen Bewegung in Verbindung standen. Dabei wurde die körperliche Bewegung häufig mit Schrittzählern und anderen Akzeleratoren objektiv gemessen, während sich frühere Untersuchungen oft auf die Angaben in Fragebögen verließen, die nicht unbedingt zutreffen müssen.

Die genetischen Varianten werden dann stellvertretend für die Messergebnisse mit der Häufigkeit von Krebserkrankungen in Beziehung gesetzt. Dies hat den Vorteil, dass viele andere gesunde oder ungesunde Lebensweisen von körperlich aktiven Menschen, die das Ergebnis verfälschen könnten, ausgeschlossen werden.

Die in den GWAS ermittelten SNP sind schließlich angeboren und damit nach der Geburt nicht veränderbar (wenn man einmal von somatischen Mutationen absieht). Deshalb der Verweis auf den Begründer der Vererbungslehre. Die Randomisierung soll andeuten, dass die Personen gewissermaßen mit der Geburt einer bestimmten körperlichen Aktivität zugelost wurden. Dies verspricht eine höhere Evidenz als die für Verzerrungen anfälligen Beobachtungsstudien.

Das „Breast Cancer Association Consortium“, zu dem sich Brustkrebsforscher aus vielen Ländern (mit deutscher Beteiligung) zusammengeschlossen haben, hat jetzt eine Mendelsche Randomisierung zum Einfluss von körperlicher Aktivität und sitzenden Tätigkeiten auf das Brustkrebsrisiko durchgeführt. Die SNP zu dem „genetischen Bewegungsverhalten“ stammten aus der UK Biobank. Sie wurden mit den Daten zu Brustkrebserkrankungen von 130.957 Frauen europäischer Abstammung aus 47 Studien in Verbindung gesetzt.

Das Team um Brigid Lynch vom Cancer Council Victoria in Melbourne kommt zu dem Ergebnis, dass körperliche Aktivitäten pro Standardabweichung mit einem um 41 % geringeren Brustkrebsrisiko verbunden waren. Die Odds Ratio von 0,59 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,42 bis 0,83 signifikant. Eine Standardabweichung bestand in der UK Biobank aus 8 „milligravities“, was 50 Minuten mäßiger körperlicher Aktivität (z. B. zügiges Gehen) pro Woche entspricht.

Die protektiven Assoziationen wurden für alle Brustkrebsunterformen gefunden, einschließlich Östrogenrezeptor-positive Karzinome (Odds Ratio 0,45; 0,25-0,83), Progesteronrezeptor-positive Karzinome (Odds Ratio 0,43; 0,22-0,85), HER2-positive Karzinome (Odds Ratio 0,48; 0,26-0,89) und Hormon- und HER2-positive Karzinome (Odds Ratio 0,42; 0,20-0,88).

Für eine intensive körperliche Aktivität mit einem kurzfristigen Anstieg auf 425 „milligravities“ war die protektive Wirkung geringer. Eine signifikante Odds Ratio von 0,62 (0,45-0,87) für 3 oder mehr Sporteinheiten pro Woche gegenüber keiner Sporteinheit wurde nur für prä- oder perimenopausale Mammakarzinome gefunden.

Eine längere sitzende Tätigkeit war erwartungsgemäß mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden. Signifikante Odds Ratios wurden hier nur für Hormonrezeptor-negative Tumore gefunden mit einer Odds Ratio von 1,77 (1,07-2,92) pro Standardabweichung (7 % mehr sitzende Tätigkeiten).

Die Ergebnisse bestätigen damit frühere epidemiologische Studien. Als Mechanismen für das erhöhte Brustkrebsrisiko werden eine vermehrte entzündliche Aktivität, Störungen der Immunfunktion und oxidativer Stress vermutet.

rme

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