Medizin

COVID-19: Die Datenlage zum Astraze­neca-Impfstoff auf einen Blick

  • Mittwoch, 17. Februar 2021
/picture alliance, Kay Nietfeld
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Berlin – Um keinen der Coronaimpfstoffe gegen SARS-CoV-2 wird zurzeit so viel diskutiert, wie über den des britische-schwedischen Herstellers Astrazeneca. Die Sorge über eine zu geringe Wirksamkeit ist ein Aspekt. Doch deckt sich das mit der Datenlage?

Ein Rückblick: Ende Januar hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA der „COVID-19 Vaccine Astra­zeneca Injektionssuspension“ eine bedingte Zulassung erteilt. Seitdem steht in der Europäischen Union (EU) nach den Impfstoffen der Firmen Biontech/Phizer und Moderna ein dritter Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung.

Anders als bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna handelt es sich bei dem Astrazeneca-Präparat um einen Vektorimpfstoff. Das Wirkprinzip ist recht neu, aber es existieren bereits andere Vek­torimpfstoffe, zum Beispiel gegen den Ebolaerreger.

Bei dem Astrazeneca-Impfstoff wird der Bauplan für Erregerantigene in das Genmaterial von harmlosen Viren eingebracht, den Vektoren. Diese Viren können ihre genetischen Informationen – inklusive dem Antigenbauplan – in menschliche Zellen einbringen und diese dazu nötigen, das gewünsch­te Antigen zu produzieren. Das von den körpereigenen Zellen erzeugte Antigen ruft das Immun­­system auf den Plan und induziert die Immunität.

Konkret basiert das von der Universität Oxford und dem Pharmahersteller entwickelte Vakzin auf einem Adenovirusvektor namens „ChAdOx1“ und enthält die genetische Information des SARS-CoV-2-Spikepro­teins in voller Länge.

Klinische Wirksamkeit

Die klinische Wirksamkeit von „COVID-19 Vaccine AstraZeneca“ ist auf Basis einer Analyse der gepoolten Daten von 2 laufenden, randomisierten, verblindeten, kontrollierten Studien untersucht worden: einer Phase-II/III-Studie, mit Erwachsenen im Vereinigten Königreich und einer Phase-III-Studie mit Erwach­senen in Brasilien.

„Die Studien schlossen Teilnehmer mit schweren und/oder unkontrollierten kardio­vas­ku­lären und gas­tro­­intestinalen Erkrankungen, mit Leber- und Nierenerkrankungen, endokri­nen/metabolischen und neu­rologischen Erkrankungen aus, ebenso solche mit starker Immunsuppres­sion, Schwangere und Teil­neh­mer mit bekannter SARS-CoV-2-Infektion in der Vorgeschichte“, heißt es in der Produktinformation, die über das Paul-Ehrlich-Institut zugänglich ist.

Die Impfstoffwirksamkeit betrug in diesen Studien 62,6 % (95-%-KI: 50,9; 71,5) bei Teilnehmern, die die 2 empfohlenen Dosen innerhalb eines beliebigen Dosisintervalls innerhalb von 3 bis 23 Wochen erhiel­ten. Es entwickelten 64 von 5.258 Probanden, die den Impfstoff erhielten, COVID-19 mit Symptomen. In der Kontrollgruppe waren es 152 von 5.210 Personen.

Aber was bedeutet eine Wirksamkeit von 62,6 %? Diese Angabe ist eine relative Größe und bezeich­net die prozentuale Verringerung des Erkrankungsrisikos in den Studien – und zwar zwischen der Gruppe der Geimpften und den Teilnehmern der Kontrollgruppe.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat dies auf seiner Seite „Gesundheitsinformation.de“ vorgerechnet – und zwar wegen der besseren Übersichtlichkeit auf 10.000 Studienteilnehmer in der Verum- und 10.000 Teilnehmer in der Studiengruppe hochgerechnet: Danach erkranken in der Gruppe der Teilnehmer mit dem Astrazeneca-Impfstoff 122 Personen von 10.000. In der Kontrollgruppe mit dem Placeboimpfstoff erkranken dagegen 296 Personen von 10.000.

Zur Bestimmung der Wirksamkeit wird der Anteil der COVID-19-Fälle in der Impfgruppe dividiert durch den Anteil der COVID-19-Fälle in der Kontrollgruppe, also 122/296. Die prozentuale Verringerung des Risikos beträgt damit rund 60 %.

Das Robert Koch-Institut weist im Epidemiologischen Bulletin Anfang Februar aber daraufhin, dass für die Endpunkte „schwere COVID-19-Erkrankung“ und „Hospitalisierung“ ausschließlich Fälle in der Kontrollgruppe beobachtet wurden. Für diese Endpunkte betrage die Impfeffektivität also 100 %, bei allerdings kleinen Fallzahlen und nicht berechenbaren 95 % Konfidenzintervallen.

Diskussion um Wirksamkeit bei Varianten

In der Diskussion um die Wirksamkeit des Impfstoffes gegen Mutanten, haben im Preprintverfahren veröffentlichte Studienergebnisse der Universität Oxford gezeigt, dass der Astrazeneca-Impfstoff gegen die zuerst in Großbritannien aufgetretenen SARS-CoV-2-Mutante B.1.1.7 ‚Kent‘ ebenso wirkt wie gegen die ursprünglich zirkulierenden Varianten des Coronavirus.

Anders könnte es bei der sogenannten südafrikanischen Variante „B.1.351“ sein. Wissenschaftler um Shabir Madhi vom South African Medical Research Council Vaccines and Infectious Diseases der Universität von Witwatersrand in Johannesburg haben vor wenigen Tagen eine Studie zur Wirksamkeit des Impfstoffes (DOI: 10.1101/2021.02.10.21251247v1) auf einem Preprintserver veröffent­licht.

Danach entwickelten 23 von 717 Probanden der Placebogruppe (3,2 %) und 19 von 750 der Probanden, die den Impfstoff erhalten hatten (2,5 %), leichtes bis mittelschweres COVID-19. Analysen zeigten, dass von den 42 positiv auf die Krankheit getesteten Studienteilnehmern aus beiden Gruppen insgesamt 39 die Variante „B.1.351“ trugen.

Die Wirksamkeit der Impfung in dieser Untergruppe betrug laut der Studie nur 10,4 % – allerdings nur bezogen auf leichtes bis mittelschweres COVID-19. Es ist also damit nicht ausgeschlossen, dass die Impfung gegen schwere Verlaufsformen auch der südafrikanischen Variante schützt.

Anwendung

Die Impfserie mit „COVID-19 Vaccine AstraZeneca“ besteht aus 2 separaten Dosen von jeweils 0,5 ml. Die 2. Dosis sollte innerhalb von 4 bis 12 Wochen (28 bis 84 Tagen) nach der 1. Dosis gegeben werden. Per­so­nen, die als 1. Dosis diesen Impfstoff erhalten haben, sollten auch die 2. Dosis damit bekommen, um die Impfserie zu vervollständigen, empfiehlt die Produktinformation. Der Impfstoff ist ungeöffnet im Kühl­schrank sechs Monate haltbar.

„Injizieren Sie den Impfstoff nicht intravaskulär, subkutan oder intradermal“, empfehlen die Autoren der Produktinformation. Wie auch bei anderen intramuskulären Injektionen sollte der Impfstoff bei Personen, die mit Antikoagulantien behandelt werden, oder die eine Thrombozytopenie oder eine andere Gerin­nungsstörung ausweisen, mit Vorsicht verabreicht werden.

Nebenwirkungen

Für die Sicherheitsanalyse hat die EMA gepoolte Daten aus 4 klinischen Studien herangezogen, die im Vereinigten Königreich, in Brasilien und in Südafrika durchgeführt wurden.

Zum Zeitpunkt der Analyse waren dazu 23.745 Teilnehmer randomisiert und erhielten entweder „CO­VID-19 Vaccine AstraZeneca“ oder eine Kontrollsubstanz. 12.021 Studienteilnehmer erhielten mindes­tens 1 Dosis „COVID-19 Vaccine AstraZeneca“ und 8.266 erhielten 2 Dosen. Die mediane Nachverfol­gungs­dauer betrug 62 Tage nach der 2. Dosis.

Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren laut der EMA Druckempfindlichkeit an der Injek­tionsstelle (63,7 %), Schmerzen an der Injektionsstelle (54,2 %), Kopfschmerzen (52,6 %), Ermüdung (53,1 %), Myalgie (44,0 %), Unwohlsein (44,2 %), Fiebrigkeit (33,6 %) und Fieber größer als 38 Grad (7,9 %), Schüttelfrost (31,9 %), Arthralgie (26,4 %) und Übelkeit (21,9 %).

„Die Mehrzahl der Nebenwirkungen war von leichtem bis moderatem Schweregrad und ging üblicher­weise binnen weniger Tage nach der Impfung wieder vollständig zurück. Im Vergleich zur 1. Dosis waren die nach der 2. Dosis berichteten Nebenwirkungen milder und wurden weniger häufig berichtet“, infor­miert die EMA.

hil

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