COVID-19 kann auch bei Kindern zu neurologischen Komplikationen führen

Liverpool – Kinder erkranken zwar seltener an COVID-19, bei einem schweren Verlauf kommt es jedoch häufiger zu neurologischen Komplikationen als bei Erwachsenen. Das zeigt eine landesweite Kohortenstudie aus Großbritannien in Lancet Child and Adolescent Health (2021; DOI: 10.1016/S2352-4642(21)00193-0).
Die britischen Fachverbände haben während der ersten Welle von COVID-19 das Register „CoroNerve“ eingerichtet und die Kliniken gebeten, Patienten mit neuropsychiatrischen Komplikationen zu melden. Anfangs hatten die Initiatoren nur mit Erwachsenen gerechnet, für die eine neuropsychiatrische Beteiligung von COVID-19 aus China bekannt war. Dann trafen jedoch auch Meldungen zu Kindern und Jugendlichen ein.
Aus England wurden in den 10 Monaten bis zum 1. Februar 2021 bei 51 von 1.334 hospitalisierten Kindern und Jugendlichen neurologische Komplikationen gemeldet. Das entspricht einer Prävalenz von 3,8 Fällen auf 100 pädiatrische Patienten. Sie lag damit höher als in einer Erwachsenenstudie. Dort waren bei 267 von 30.197 hospitalisierten Erwachsenen (0,9 Fälle pro 100 Patienten) neurologische Komplikationen festgestellt worden.
Die Symptome traten zum einen bei Kindern auf, die im Anschluss an eine oft milde Infektion ein multisystemisches Entzündungssyndrom (MIS-C) entwickelt hatten, das in Großbritannien auch als PIMS-TS („paediatric inflammatory multisystem syndrome temporally associated with SARS-CoV-2 infection“) bezeichnet wird.
Es handelt sich um eine postinfektiöse Immunreaktion vergleichbar mit dem Kawasaki-Syndrom nach anderen Infektionen. Patienten mit Kawasaki-Syndrom müssen wegen kardialer Störungen häufig auf Intensivstation behandelt werden, um den Kreislauf mit positiv inotropen Medikamenten zu stabilisieren.
Wie das Team um Rachel Kneen von der Universität Liverpool berichtet, mussten 20 von 25 Kindern mit PIMS-TS (mittleres Alter 10 Jahre) auf Intensivstation behandelt werden, 13 benötigten eine medikamentöse Kreislaufunterstützung.
Enzephalopathien sind bei Intensivpatienten nicht ungewöhnlich. Die Ärzte diagnostizierten sie bei 22 der 25 Kindern mit PIMS-TS. Darunter waren 9 Kinder mit Verhaltensveränderungen, bei 6 kam es zu Halluzinationen, 4 erlitten Krampfanfälle. Eine weitere häufige Komplikation bei PIMS-TS war eine Beteiligung des peripheren Nervensystems, die bei 10 Kindern beobachtet wurde.
Eine 2. Gruppe von 27 Kindern war nicht an PIMS-TS erkrankt. Die Patienten erlitten die neurologischen Komplikationen im Rahmen ihrer akuten COVID-19-Erkrankung. Häufig waren dies Krampfanfälle (bei 7 Patienten mit Status epilepticus) oder eine akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM), die auch von anderen Infektionen bekannt ist.
Schwere Durchblutungsstörungen, die bei erwachsenen Patienten mit COVID-19 häufiger beobachtet werden, traten bei Kindern selten auf. Nur 2 Kinder erlitten einen Schlaganfall, an dem allerdings 1 Kind (aus der PIMS-TS-Gruppe) starb, 17 weitere Kinder wurden mit Behinderungen (modifizierter Rankin-Score 2 bis 5) aus der Klinik entlassen, wobei offen bleibt, ob sie sich später noch erholten, was bei Kindern häufiger der Fall ist als bei Erwachsenen.
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