Medizin

COVID-19: Nosokomiale Infektionen während der ersten Erkrankungswelle in Europa häufig

  • Mittwoch, 26. August 2020
/picture alliance, Peter Kneffel
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Cardiff – Einer von 8 hospitalisierten Patienten mit schwerer COVID-19 hat sich während der ersten Erkrankungswelle im Krankenhaus infiziert. Dies geht aus einer Studie aus Großbritannien und Italien im Journal of Hospital Infection (2020; DOI: 10.1016/j.jhin.2020.07.013) hervor, die allerdings keine Abschätzung des individuellen Infektionsrisikos ermöglicht.

Als in Wuhan Anfang des Jahres die Zahl der schweren Infektionen mit einem neuen Co­ronavirus sprunghaft anstieg, waren die Kliniken schlecht vorbereitet. Das Virus breitete sich innerhalb der Krankenhäuser rasch aus, zeitweise hatte fast jeder zweite Patient die Infektion in der Klinik erworben, wie Mediziner aus Wuhan Anfang Februar im Amerikani­schen Ärzteblatt (JAMA) berichteten.

Der Tod des Arztes Li Wenliang, der frühzeitig vor dem Coronavirus gewarnt hatte, zeigte der Bevölkerung, dass in den Kliniken weder Patienten noch Personal vor dem hochan­steckenden Virus geschützt waren.

Auch der erste Ausbruch in Europa hat viele Kliniken in der Lombardei unvorbereitet ge­troffen. Insgesamt war der Anteil der nosokomialen Infektionen jedoch geringer als in China. Ein Team um Jonathan Hewitt von der Universität Cardiff in Wales hat im Rahmen der COPE-Studie („COVID-19 in Older PEople“) an 10 Kliniken in Großbritannien und einer Klinik in Italien (Universität Modena) den Anteil der Patienten ermittelt, die sich vermut­lich in der Klinik angesteckt haben.

Die übliche Definition von nosokomialen Infektionen umfasst alle Erkrankungen, die spä­ter als 48 Stunden nach der Aufnahme auftreten. Diese Definition bezieht sich auf bakte­rielle Infektionen, die eine kurze Inkubationszeit haben.

Auf Viren ist diese Definition nicht anwendbar, da die Inkubationszeiten länger sind. Bei SARS-CoV-2 beträgt sie im Mittel 5 bis 7 Tage, es können aber bis zu 14 Tage vergehen, bis die ersten Symptome auftreten. Hewitt wählte deshalb eine Frist von 15 Tagen, die die Patienten bereits in der Klinik verbracht haben mussten, bevor eine COVID-19-Er­krankung als nosokomial eingestuft wurde.

Damit dürften einige Erkrankungen übersehen worden sein, die nach einer kürzeren Inku­bationszeit auftraten. Es fehlen auch die Infektionen, die erst nach der Entlassung zu Symptomen geführt haben.

Insgesamt hatten sich 196 von 1.564 Patienten (12,5 %), die in den Krankenhäusern we­gen COVID-19 behandelt wurden, in der Klinik angesteckt, also etwa jeder 8. Die übrigen 1.368 (87,5 %) hatten die Infektion außerhalb der Klinik erworben.

Die nosokomialen Infektionen betrafen vor allem ältere Patienten (medianes Alter 80 Jahre) mit einer erhöhten Gebrechlichkeit (Clinical Frailty Scale CFS 6 von 9 möglichen Stufen), die bereits längere Zeit (median 32,5 Tage) in der Klinik lagen, als sie an COVID-­19 erkrankten. Die Patienten, die sich außerhalb der Klinik infiziert hatten, waren median 73 Jahre alt mit einem CFS von 4.

Insgesamt 425 Patienten (27,2 %) sind an COVID-19 gestorben. Die Mortalität schwankte unter den 11 Kliniken zwischen 11,1 % und 43,9 %. In welchen Kliniken die Rate am höchsten war, verraten die Autoren nicht. Die Mortalität war unter den nosokomialen Erkrankungen etwas niedriger (adjustierte Hazard Ratio 0,71; 95-%-Konfidenzintervall 0,51 bis 0,98).

Dies könnte daran gelegen haben, dass auch leichtere Erkrankungen erfasst wurden, die normalerweise nicht zu einer Hospitalisierung geführt hätten. Die nosokomialen Patien­ten benötigten allerdings länger, bis sie sich von der Erkrankung erholt hatten.

Die Zahlen zeigen, dass es auch in Europa während des ersten Erkrankungsgipfels häufig zu nosokomialen Infektionen gekommen ist. Wie hoch das Risiko der einzelnen Patienten war, lässt sich aus den Ergebnissen nicht ablesen, da Hewitt keine Angaben zur Gesamt­zahl der in der Klinik behandelten Patienten macht.

rme

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