Medizin

COVID-19: Parodontitis könnte schwere Verläufe begünstigen

  • Donnerstag, 4. Februar 2021
/picture alliance, Zoonar, Erwin Wodicka
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Doha/Katar – Eine Parodontitis, die häufig mit einer systemischen Entzündungsreaktion im Körper einhergeht, könnte bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 das Risiko auf einen schweren Verlauf von COVID-19 deutlich erhöhen. Dies geht aus einer Fall-Kontroll-Studie im Journal of Clinical Periodontology (2021; DOI: 10.1111/jcpe.13435) hervor.

Die Parodontitis, unter der vermutlich weltweit die Hälfte der Erwachsenen leidet, kann nicht nur zum frühzeitigen Verlust von Zähnen führen. Epidemiologische Studien haben die Erkrankung auch wieder­holt mit einem erhöhten Risiko auf chronische Erkrankungen wie dem Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch mit einem erhöhten Sterberisiko in Verbindung gebracht. Eine durch die Paro­don­titis ausgelöste systemische Entzündungsreaktion mit einem leichten Anstieg des C-reaktiven Proteins (CRP) und der vermehrten Freisetzung von Zytokinen wie Interleukin 6 bietet hierfür eine mögliche Erklärung.

Ein Anstieg von CRP und Interleukin 6 gehört auch zu den Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Es liegt deshalb nahe, den Einfluss einer Parodontitis auf die Erkrankung zu untersuchen. Ein Team um Faleh Tamimi von der Universität Qatar in Doha hat hierzu die Daten der staatlichen Kranken­versicherung des Landes ausgewertet. Zu 568 dort registrierten COVID-19-Patienten lagen Röntgen­aufnahmen vor, die die Beurteilung des Kauapparats zuließen.

Von den 258 mit COVID-19 infizierten Patienten, bei denen eine Parodontitis vorlag, erkrankten 33 an COVID-19 mit einem schweren Verlauf. Unter den 310 Patienten ohne Parodontitis kam es dagegen nur in 7 Fällen zu einer schweren COVID-19. Tamimi ermittelt eine Odds Ratio von 6,34, also ein mehr als 6-fach erhöhtes Risiko.

Nun ist allerdings bekannt, dass Menschen mit schlechter Mundhygiene, der wesentlichen Ursache der Parodontitis, auch in anderen Bereichen weniger auf ihre Gesundheit achten. Sie sind deshalb häufiger übergewichtig/ fettleibig und leiden häufiger unter Typ-2-Diabetes und anderen chronischen Erkran­kungen, die für sich genommen das Risiko auf einen schweren Verlauf von COVID-19 erhöhen.

Tamimi hat in seinen Berechnungen diese Cofaktoren berücksichtigt. Es blieb ein mehr als 3-fach erhöhtes Risiko (adjustierte Odds Ratio 3,67; 1,46 bis 9,27) übrig, das auf den Einfluss der Parodontitis zurückzuführen ist (sofern nicht weitere Cofaktoren übersehen wurden).

Die Parodontitis erhöhte nicht nur das Risiko auf einen schweren Verlauf. Es wurde auch häufiger eine Intensivbehandlung notwendig (adjustierte Odds Ratio 3,54; 1,39 bis 9,05) und dort eine künstliche Beatmung (adjustierte Odds Ratio 4,57; 1,19 bis 17,4). Das Sterberisiko war mit einer adjustierten Odds Ratio von 8,81 (1,00 bis 77,7) ebenfalls deutlich erhöht.

Die weiten Konfidenzintervalle zeigen, dass die Zahlen das Risiko nur annähernd wiedergeben. Vorstell­bar ist auch, dass genauere Analysen, die weitere Lebensstilfaktoren berücksichtigen, zu einer weiteren Abschwächung der Odds Ratio führen würden. Die erhöhten Entzündungsparameter, die bei Patienten mit Parodontitis häufig gefunden werden, lassen einen ungünstigen Einfluss der Parodontitis jedoch medizinisch plausibel erscheinen – auch ohne die weiteren Erklärungsversuche der Autoren, die eine Superinfektion der Lunge durch eingeatmete orale Bakterien vermuten.

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie, Bettina Dannewitz, Weilburg bei Gießen, nimmt die Studie zum Anlass, auf die Notwendigkeit der parodontalen Gesundheit auch in Pandemiezeiten hinzuweisen.

Die Patienten sollten nicht auf regelmäßige zahnärztliche Kontrollen verzichten. Die Behandlung der Parodontitis könnte dazu beitragen, dass die Patienten im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 von einem schweren Verlauf von COVID-19 verschont bleiben.

rme

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