Medizin

COVID-19: Patienten haben mit „Low dose“-ASS geringes Komplikations- und Sterberisiko

  • Freitag, 23. Oktober 2020
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Baltimore – Patienten, die wegen kardiometabolischer Erkrankungen bereits vor ihrer Infektion mit SARS-CoV-2 mit Acetylsalicylsäure in einer niedrigen Dosis („Low dose“-ASS) behandelt wurden, hatten in einer Beobachtungsstudie in Anesthesia & Analgesia (2020; DOI: 10.1213/ANE.0000000000005292) einen deutlich milderen Verlauf ihrer COVID-19-Erkrankung.

Bei schweren Verläufen von COVID-19 kommt es häufig zu thrombotischen Komplika­tionen, die nicht selten für den Tod verantwortlich gemacht werden. Viele Zentren behan­deln die Patienten deshalb inzwischen mit Heparin, um eine Hyperkoagulabilität zu ver­­meiden.

Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den wichtigsten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf gehören, sind einige Patienten mit „Low dose“-ASS vorbehandelt. Das Mittel wird beispielsweise im Rahmen der Sekundärprävention bei einer koronaren Herzkrankheit eingesetzt. Der Thrombozytenaggregationshemmer hat eine antithrombotische Wirkung, die sich günstig auf den Verlauf von COVID-19 auswirken könnte.

Ein Team um Jonathan Chow von der University of Maryland School of Medicine in Balti­more hat hierzu die Erfahrungen während der ersten Welle von COVID-19 ausgewertet. Bis Juli waren 98 Patienten aufgenommen worden, die mit „Low dose“-ASS (Dosis 81 mg) behandelt wurden. Im Vergleich zu 314 Patienten, die kein ASS erhalten hatten, verlief die Erkrankung weniger schwer.

Patienten mit „Low dose“-ASS mussten seltener mechanisch beatmet werden (35,7 versus 48,4 %), und sie wurden seltener auf die Intensivstation verlegt (38,8 versus 51,0 %). Es kam zwar häufiger etwas zu einem Todesfall in der Klinik (26,5 versus 23,2 %), der Unter­schied war aber statistisch nicht signifikant.

Dabei war die Ausgangslage der Patienten, die „Low dose“-ASS einnahmen, ungünstiger. Sie hatten häufiger einen erhöhten Blutdruck und litten öfter an Diabetes und/oder Herz- oder Nierenkrankheiten (deretwegen sie vielfach mit „Low dose“-ASS behandelt wurden).

Nach Berücksichtigung dieser Risikofaktoren sowie Alter, Geschlecht und ethnischer Herkunft wurde der Vorteil des niedrigdosierten ASS deutlicher. Die Patienten hatten ein um 44 % vermindertes Risiko auf eine mechanische Beatmung (adjustierte Hazard Ratio 0,56; 95-%-Konfidenzintervall 0,37 bis 0,85), sie mussten zu 43 % seltener auf eine Intensiv­station verlegt werden (adjustierte Hazard Ratio 0,57; 0,38 bis 0,85), und auch das Sterberisiko war jetzt um 47 % vermindert (adjustierte Hazard Ratio 0,53; 0,31 bis 0,90). Dabei ging die ASS-Behandlung nicht mit einer erhöhten Rate schwerer Blutungen (6,1 versus 7,6 %) oder klinischer Thrombosen (8,2 versus 8,9 %) einher.

Die Ergebnisse erscheinen aufgrund der Wirkungsweise von ASS plausibel. Eine Grund­lage für einen therapeutischen Einsatz liefern sie jedoch nicht. Hierzu müssten randomi­sierte Therapiestudien durchgeführt werden. Diese sind derzeit nicht in Sicht, da die meisten Zentren auf eine antikoagulative Behandlung mit Heparinen setzen.

Für eine präventive Einnahme von ASS (um im Fall von COVID-19 eine günstigere Aus­gangslage zu haben) gibt es derzeit ebenfalls keine Evidenz. Aufgrund des Blutungsrisi­kos, dem auch die Anwender ausgesetzt wären, die niemals an COVID-19 erkranken, könnte die Nutzen-Risiko-Bilanz negativ ausfallen.

rme

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