COVID-19: Studie deutet auf Wirksamkeit von Colchicin hin

Athen – Das traditionelle Gichtmittel Colchicin, dem seit einigen Jahren antientzündliche Wirkungen zugeschrieben werden, hat in einer kleineren randomisierten Studie die Erholung von Patienten mit COVID-19 beschleunigt, wie die in JAMA Network Open (2020; 3: e2013136) publizierten Ergebnisse zeigen.
Colchicin wird noch immer mit der Gicht assoziiert. Das Alkaloid aus der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) wird heute jedoch eher selten zur Behandlung von Podagra, Gonagra und anderen Schmerzattacken eingesetzt, die durch die Ausfällung von Harnsäurekristallen in verschiedenen Geweben ausgelöst werden. Hier gibt es effektivere und vor allem sichere Medikamente.
In den letzten Jahren ist dagegen das Interesse von Kardiologen an der Substanz gestiegen. Colchicin hat sich in der Behandlung der Perikarditis und des Postkardiotomie-Syndroms bewährt. In niedriger Dosierung hat es jüngst in einer randomisierten klinischen Studie Patienten nach einem Herzinfarkt vor weiteren kardiovaskulären Ereignissen geschützt (NEJM 2019; 381: 2497-2505).
Die Wirksamkeit von Colchicin wird auf verschiedene hemmende Effekte auf Entzündungsreaktionen zurückgeführt. Sie könnten eine Folge der Mitose-Blockade durch Colchicin sein, weil jede Entzündung mit der Rekrutierung neuer Leukozyten zusammenhängt, die durch Zellteilung entstehen. Da es bei COVID-19 zu einer starken Entzündungsreaktion kommt, könnte das kostengünstige und oral verfügbare Colchicin, das in einer niedrigen Dosierung in der Regel sicher ist, auch zur Behandlung von COVID-19-Patienten infrage kommen, um die Wirkung von Kortikoiden und anderen entzündungshemmenden Mitteln zu unterstützen.
In den letzten Monaten wurden mindestens 12 klinische Studien begonnen, die den Nutzen von Colchicin bei COVID-19 untersuchen, darunter die Studie GRECCO-19 („GReek Study in the Effects of Colchicine in Covid-19 cOmplications Prevention“), dessen Ergebnisse jetzt vorliegen.
An 16 Zentren in Griechenland wurden 105 Patienten mit symptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen auf eine Behandlung mit niedrig-dosiertem Colchicin oder Placebo randomisiert. Die Studie war offen und die Patienten durften gleichzeitig andere Medikamente erhalten, die als wirksam eingestuft wurden. Fast alle Patienten erhielten Hydroxychloroquin plus Azithromycin, ein Drittel erhielt Lopinavir/Ritonavir und die Hälfte auch Antikoagulanzien.
Die Studie hatte drei primäre Endpunkte: Untersucht wurde erstens, ob Colchicin einen Anstieg von Troponin im Blut verhindern kann, das eine kardiale Schädigung durch die Virusinfektion anzeigt. Hier wurde nach den von Spyridon Deftereos, Universität Athen, und Mitarbeitern vorgestellten Resultaten kein Effekt beobachtet, was jedoch daran liegen könnte, dass der Troponinwert bei den Patienten insgesamt niedrig war.
Der Spitzenwert betrug in der Kontrollgruppe 0,0112 ng/ml und in der Colchicin-Gruppe 0,008 ng/ml. Der Unterschied war statistisch nicht signifikant. Auch im zweiten primären Endpunkt, der maximalen Konzentration des C-reaktiven Proteins, war kein Vorteil erkennbar. Auch hier waren die Werte mit median 4,5 mg/dl in der Kontrollgruppe und 3,1 mg/dl in der Colchicin-Gruppe für COVID-19-Verhältnisse niedriger.
Umso erstaunlicher war, dass bei dem insgesamt milden Verlauf (oder der guten Wirksamkeit der Begleitmedikamente?) im dritten klinischen Endpunkt eine gute Wirkung erzielt wurde. Bewertet wurde eine Verschlechterung des klinischen Zustands um mindestens 2 Punkte auf einer 7-Punkte Skala. Dazu kam es in der Kontrollgruppe bei 7 Patienten (14,0 %) gegenüber nur 1 Patienten (1,8 %) in der Colchicin-Gruppe. Deftereos ermittelt eine Odds Ratio von 0,11, die bei einem allerdings sehr weiten 95-%-Konfidenzintervall von 0,01 bis 0,96 knapp signifikant war.
Von den 8 Patienten, die sich klinisch verschlechterten, benötigte 1 Patient eine nicht-invasive mechanische Beatmung, 6 Patienten eine invasive mechanische Beatmung. Der 8. Patient erlitt einen plötzlichen Herzstillstand.
Colchicin könnte deshalb bei Patienten mit einem schweren Verlauf eher nutzen, vermutet Deftereos. Der Editorialist Amir Rabbani von der Universität von Kalifornien in Los Angeles rät dazu, die Ergebnisse weiterer Studien abzuwarten. Dazu gehört die kanadische COLCORONA-Studie („Colchicine Coronavirus SARS-CoV-2“) mit 6.000 ambulanten Patienten und die kleinere COLHEART-19-Studie („Colchicine for the Treatment of Cardiac Injury in Hospitalized Patients with COVID-19“), die laut Rabbani interessant ist, da sie die Wirkung von Colchicin an Patienten mit kardialen Manifestationen der Krankheit untersucht.
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