Medizin

COVID-19: Tocilizumab bleibt in Phase-3-Studie erfolglos

  • Mittwoch, 29. Juli 2020
/felipecaparros, stock.adobe.com
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Basel – Der Antikörper Tocilizumab, der den Zytokinsturm bei Patienten mit COVID-19 bremsen soll, hat in einer Phase-3-Studie die Erwartungen nicht erfüllt. Wie der Hersteller mitteilt, kam es bei Patienten mit schwerer Erkrankung nicht zu einer klinischen Verbesserung. Auch die Sterblichkeit konnte gegenüber einer Placebobehandlung nicht gesenkt werden. Eine Publikation der Ergebnisse steht noch aus.

Das Biologikum Tocilizumab neutralisiert den Rezeptor für Interleukin 6, der eine zentrale Rolle bei der Erstabwehr von Infektionen hat. Das Mittel könnte nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 eine überschießende Immunreaktion verhindern, die als Zytokinsturm bezeichnet wird und das Leben von COVID-19-Patienten gefährdet.

Tocilizumab ist seit 2009 als sogenanntes Biologikum zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen zugelassen. Nach dem Beginn der COVID-19-Pandemie hatten mehrere Gruppen in Fallserien über vielversprechende Behandlungsergebnisse berichtet. Der Hersteller begann deshalb Anfang April eine internationale Phase-3-Studie, an der sich auch mehrere Kliniken in Deutschland beteiligten.

Einschlusskriterium für COVACTA („Study to Evaluate the Safety and Efficacy of Tocilizumab in Patients With Severe COVID-19 Pneumonia“) waren eine schwere Pneumonie, die zu einem Abfall der Sauerstoffsättigung auf unter 93 % (oder ein PaO2/FiO2 von unter 300 mmHg) geführt hat. Primärer Endpunkt war der klinische Status des Patienten auf einer 7-Punkte-Skala. Die Patienten erhielten zusätzlich zur Standard­behandlung eine Infusion, die den Antikörper Tocilizumab oder ein Placebo enthielt.

Wie der Hersteller jetzt mitteilt, unterschied sich der klinische Zustand der Patienten nach 4 Wochen zwischen den beiden Gruppen nicht. Die Odds Ratio auf eine Verbes­serung auf der 7-Punkte-Skala betrug 1,19 und war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,81 bis 1,76 nicht signifikant. Auch in der Mortalität, dem wichtigsten sekundären Endpunkt, gab es keine wesentlichen Unterschiede. In der Tocilizumab-Gruppe waren 19,7 % der Patienten gestorben gegenüber 19,4 % in der Placebogruppe.

Der einzige Vorteil von Tocilizumab war eine Verkürzung der Krankenhausliegezeit auf 20,0 Tage gegenüber 28,0 Tagen in der Placebo-Gruppe. Davon waren die Patienten 22 Tage ohne Beatmung gegenüber 16,5 Tagen in der Placebo-Gruppe.

Die Behandlung mit Tocilizumab blieb ohne den befürchteten Anstieg von Infektionen (38,3 versus 40,6 %) und schweren Infektionen (21,0 versus 25,9 %), die eine bekannte Nebenwirkung des immunsupprimierenden Medikaments sind. Eine Immunsuppression könnte im Prinzip auch die Abwehr des Körpers gegen SARS-CoV-2 schwächen.

Entscheidend für den Erfolg der Therapie könnte deshalb der richtige Zeitpunkt sein. Die beste Wirkung könnte Tocilizumab im fortgeschrittenen Stadium haben, wenn der Zytokin­sturm eingesetzt hat. Möglich ist, dass Tocilizumab in COVACTA nicht zum optimalen Zeitpunkt eingesetzt wurde.

Der Hersteller will weitere laufende Studien (REMDACTA, EMPACTA und MARIPOSA) zum Einsatz von Tocilizumab nicht abbrechen. Die Wirksamkeit von Tocilizumab wird derzeit auch in der staatlichen britischen RECOVERY-Studie untersucht.

rme

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