Medizin

COVID-19: Virus-RNA in Stuhlproben länger und im Klärwerk frühzeitig nachweisbar

  • Donnerstag, 23. April 2020
/Panumas, stock.adobe.com
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Hangzhou und Paris − Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 war in einer seriellen Studie an chinesischen Patienten im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2020; 369: m1443) in Stuhlproben länger nachweisbar als in respiratorischen Sekreten. Französische Forscher berichten in medRxiv (2020; doi: 10.1101/2020.04.12.20062679), dass die Virusgene auch die Klärwerke erreichen.

Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert nicht nur die Epithelien der Lunge, sondern vermutlich auch die Zellen der Darmschleimhaut. Der Rezeptor ACE2, über den SARS-CoV-2 in die Zellen gelangt, wird nach einer aktuellen Studie in Cell (2020; DOI: 10.1016/j.cell.2020.04.035) von den Enterozyten sogar in größerer Menge gebildet als von den Typ-2-Pneumozyten.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Virus-RNA regelmäßig in Stuhlproben nachweisbar ist. Ein Team um Tingbo Liang von der Universität der Provinz Zhejiang in Hangzhou hat die Ausscheidung von SARS-CoV-2 bei 96 COVID-19-Patienten untersucht. Neben 668 Sputum- und 1.178 Speichelproben wurden auch 842 Stuhlproben, 629 Serumproben und 180 Urinproben getestet.

In den Atemwegssekreten war die Virus-RNA anfangs immer nachweisbar (was ja auch zur Diagnose geführt hatte). Doch auch 59 % der Stuhlproben (und 41 % der Serumproben sowie eine Urinprobe) fielen positiv aus. Die Konzentration der Virus-RNA stieg im Verlauf der Erkrankung an.

Bei Patienten mit leichter COVID-19 war die Konzentration im Stuhl sogar tendenziell höher als in den respiratorischen Sekreten. Die Ausscheidung hielt im Durchschnitt 22 Tage an, 4 Tage länger als mit den respiratorischen Sekreten. Dort war die Virus-RNA 18 Tage nachweisbar, in leichten Fällen 14 Tage und bei schweren Erkrankungen 21 Tage.

Aufgrund der langen Dauer der Virusausscheidung sollte die Bedeutung der Faeces bei der Ausbreitung von SARS-CoV-2 nicht ignoriert werden, so Liang. Gemeint ist das Infektions­risiko im Haushalt und in den Kliniken. Von den Abwässern dürfte wegen der sorgfältigen Trennung vom Wasserkreislauf – die in Europa nach schweren Choleraepidemien vor mehr als hundert Jahren eingeführt wurde – keine Gefahr ausgehen.

Die Beprobung der Abwässer könnte jedoch genutzt werden, um den Verlauf der Epidemie zu verfolgen. Ein Team um Laurent Moulin von den Pariser Wasserwerken hat im Zeitraum vom 5. März bis zum 7. April 2 Mal die Woche Proben aus 3 Klärwerken der Stadt untersucht. In allen Proben aus den ungeklärten Abwässern waren die Gene von SARS-CoV-2 nachweisbar.

In 6 von 8 Proben waren die Virusgene auch im geklärten Wasser vorhanden, wenn auch in 100-fach niedrigerer Konzentration. Die Gefahr einer Ausbreitung von dieser Seite ist extrem unwahrscheinlich, zumal die Tests nur RNA-Moleküle des Virus nachweisen.

Für das Monitoring der Epidemie könnte die Abwasseruntersuchung interessant sein. Die Konzentration der Virus-RNA stieg im Verlauf der Zeit parallel zu den aus den Kliniken gemeldeten COVID-19-Erkrankungen an. Die ersten positiven Proben wurden zu einer Zeit gezogen, als in der Metropole noch keine Erkrankungen erkannt worden waren.

Analysen der Abwässer werden bereits für die Früherkennung von Polio-Ausbrüchen genutzt. Nach Ansicht von Moulin könnten sie auch eingesetzt werden, um Ausbrüche von COVID-19 zu erkennen.

rme

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