Medizin

EMA: Können COVID-19-Impf­stoffe Gesichtsschwellung, VITT, Myokarditis oder ein Guillain-Barré-Syn­drom auslösen?

  • Montag, 10. Mai 2021
/picture alliance, Fotostand
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London – Mit den in Fahrt gekommenen Impfkampagnen steigt in Europa die Zahl der Meldungen möglicher Impfkomplikationen. Der Pharmakovigilanzausschuss PRAC der europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat einige Änderungen der Fachinformationen empfohlen.

So sollen die Fachinformationen für den mRNA-Impfstoff Comirnaty (BNT162b2) von Biontech/Pfizer künftig auf das Risiko von Gesichtsschwellungen hinweisen. Betroffen sind Menschen, die sich aus kosmetischen Gründen Depots von Hyaluronsäure oder Kollagen unter die Haut haben injizieren lassen.

In der Umgebung dieser „dermal filler“ (Hautfüller) kann es nach der Impfung mit Comirnaty offenbar in seltenen Fällen zu Schwellungen kommen. Diese Nebenwirkung war zuerst in der Zulassungsstudie des mRNA-Impfstoffs von Moderna aufgefallen. Dort hatten 3 Patienten Schwellungen im Bereich von Lippen oder Gesicht bemerkt.

In den letzten Wochen sind EudraVigilance, das die Meldungen der einzelnen Arzneimittelbehörden sammelt, mehrere Fälle nach dem Einsatz von Comirnaty bekannt geworden. Der PRAC kommt nach einer Prüfung zu der Ansicht, dass eine einleuchtende Möglichkeit („reasonable possibility“) für einen ursächlichen Zusammenhang besteht, der jedoch das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs nicht verändert. Nach Einschätzung der American Society of Plastic Surgeons klingt die Schwellung in der Regel von selbst ab. Orale Antihistaminika oder Kortikosteroide könnten die Erholung beschleunigen.

Die Kombination aus ungewöhnlichen Thrombosen mit einem Mangel an Thrombozyten (auch als impfstoffinduzierte immune thrombotische Thrombozytopenie VITT bezeichnet), die zuerst mit dem vektorbasierten Impfstoff Vaxzevria von Astrazeneca beobachtet wurde, kann nach Einschätzung des PRAC auch nach der Gabe der COVID-19-Vakzine von Johnson und Johnson/Janssen auftreten, die ebenfalls Adenoviren benutzt, um das Gen für die Produktion des Spikeproteins in die Zellen zu transportieren.

Die EMA hatte bereits am 20. April auf die Möglichkeit hingewiesen. Jetzt sollen die Fachinformationen darauf angeben, dass Patienten, bei denen innerhalb von 3 Wochen nach der Impfung eine Thrombo­zytopenie diagnostiziert wird, aktiv auf Anzeichen von Thrombosen untersucht werden sollten. Ebenso sollten Patienten, bei denen innerhalb von 3 Wochen nach der Impfung eine Thromboembolie auftritt, die Thrombozytenzahl untersucht werden. Außerdem wird die VITT als „wichtiges bekanntes Risiko“ in den Risikomanagementplan für den Impfstoff aufgenommen.

Was die VITT auslöst, ist weiter unbekannt. Da die beiden vektorbasierten Impfstoffe betroffen sind, liegt ein Zusammenhang mit den Adenoviren nahe. Es gibt allerdings auch Fallberichte zu den mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer oder Moderna. Aus Sicht des PRAC ist ein Zusammenhang derzeit nicht belegt. Die Fallzahl sei extrem niedrig und ihre Häufigkeit nicht höher als bei nicht geimpften Men­schen. Die bisher bekannt gewordenen Fälle sollen auch nicht das spezifische klinische Muster zeigen, das bei Vaxzevria und dem COVID-19-Impfstoff von Johnson und Johnson/Janssen beobachtet wurde. Der PRAC geht deshalb derzeit nicht von einem Kausalzusammenhang aus.

Unklar ist aus Sicht des PRAC derzeit auch, ob die Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff Vaxzevria ein Guillain-Barre-Syndrom auslösen kann. Die seltene Erkrankung, bei der das Immunsystem die Myelinscheiden der peripheren Nerven angreift, führt zu Muskelschwäche und manchmal zu Lähmun­gen, die tödlich enden können. Die meisten Patienten erholen sich allerdings vollständig von der Erkran­kung.

Das Guillain-Barre-Syndrom, das auch im Anschluss an eine Infektion auftreten kann, war von Anfang an auf dem Radar der Arzneimittelbehörden. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für die Sicherheit von Impfstoffen zuständig ist, erwähnt in seinem jüngsten Sicherheitsbericht vom 7. Mai eine auffällige Häufung, die nach der Impfung mit Vaxzevria, nicht aber mit den anderen Impfstoffe aufgetreten ist. Der PRAC will nach Angaben der EMA vor einer abschließenden Bewertung weitere Daten der Hersteller auswerten.

Eine weitere derzeit von den Arzneimittelbehörden untersuchte mögliche Komplikation sind Myokarditiden, die im Anschluss an eine Impfung mit den beiden mRNA-Impfstoffen berichtet wurden. Zuletzt hatten die Medien in Israel über „Dutzende von Fällen” nach der Impfung mit Comirnaty berichtet, was aber angesichts der hohen Impfquote im Land, das Anfangs allein den Impfstoff von Biontech/Pfizer eingesetzt hat, noch kein Beweis für eine Kausalität ist. Für den PRAC gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass die Fälle auf den Impfstoff zurückzuführen sind.

Allerdings sind jüngst auch Fälle nach dem Einsatz des Impfstoffs von Moderna aufgetreten, weshalb die Überwachung zu diesem möglichen Sicherheitssignal fortgesetzt werden soll.

rme

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