Medizin

Frühere Erkältungen könnten Schwere eines COVID-19-Verlaufs beeinflussen

  • Mittwoch, 29. Juli 2020
/freshidea, stock.adobe.com
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Berlin – Auch gesunde Menschen besitzen offenbar zum Teil Immunzellen, die das Coronavirus SARS-CoV-2 erkennen können. Darauf deutet eine Studie unter Leitung der Charité und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (MPIMG) hin, die jetzt im Fachmagazin Nature erschienen ist (2020; DOI: 10.1038/s41586-020-2598-9).

Demnach könnten frühere durch heimische Coronaviren ausgelöste Erkältungskrank­heiten zu einer Kreuzreaktivität führen. Ob diese sich positiv auf eine SARS-CoV-2-Infektion auswirken kann, soll eine Anschlussstudie zeigen.

Für ihre Untersuchung isolierten die Forschenden Immunzellen aus dem Blut von 18 COVID-19-Patienten, die nach einem positiven PCR-Test zur Behandlung an der Charité aufgenommen worden waren. Zusätzlich verwendeten sie Immunzellen aus dem Blut von 68 gesunden Probanden, die nachweislich noch keinerlei Kontakt mit dem Virus gehabt hatten. Die Immunzellen beider Gruppen wurden im Anschluss mit künstlich hergestell­ten Bruchstücken des SARS-CoV-2-Spike-Proteins stimuliert, also der kronenförmigen Oberfläche, die an menschliche Zellen andocken können.

Erwartungsgemäß reagierten die Zellen von 15 der 18 infizierten Patienten auf diese Stimulation. Überraschend war nach Angaben der Wissenschaftler hingegen die Reaktion der Immunzellen der gesunden Probanden. 35 % verfügten demnach über Gedächtnis­zellen, die Fragmente von SARS-CoV-2 erkannten.

Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Während die Zellen der Erkrankten das Spike-Protein auf ganzer Länge erkannten, reagierten die Zellen der Gesunden nur auf solche Protein-Abschnitte, die den Strukturen harmloserer Coronaviren ähnelten, die hier schon lange verbreitet sind.

„Das deutet darauf hin, dass die T-Helferzellen der Gesunden auf SARS-CoV-2 reagieren, weil sie sich in der Vergangenheit mit heimischen Erkältungs-Coronaviren auseinander­setzen mussten“, wird Claudia Giesecke-Thiel, Leiterin der Servicegruppe Durchfluss­zytometrie am MPIMG und eine der 3 leitenden Autorinnen der Studie, in einer Mitteilung der Charité zitiert.

Diese Kreuzreaktivität wies die Forschungsgruppe nach, indem sie die Immunzellen der gesunden Probanden mit heimischen Coronaviren zusammenbrachte und ebenfalls eine Reaktion erzielte.

Es sei grundsätzlich vorstellbar, dass kreuzreaktive Immunzellen eine schützende Wirkung hätten, da sie zu einer beschleunigten Bildung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 beitragen könnten, heißt es in der Mitteilung. Aber auch ein negativer Einfluss sei denkbar, da kreuzreaktive Immunität auch zu einer fehlgeleiteten Immunantwort führen und den Verlauf von COVID-19 damit negativ beeinflussen könne.

Die sogenannte Charité-Corona-Cross-Studie, die Charité, das MPIMG sowie die Technische Universität Berlin nun gemeinsam gestartet haben, soll diese Frage klären.

Die Untersuchung wird vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gefördert und soll sich besonders auf Personengruppen konzentrieren, die in der Vergangenheit häufig Erkältungsinfekte durchgemacht haben – etwa Beschäftigte von Kindergärten und Kinderarztpraxen sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen.

alir

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