Medizin

Geringe mikrobielle Vielfalt auf der ISS könnte Astronauten schaden

  • Mittwoch, 12. März 2025
Eine Aufnahme aus der Kamera eines Nasa-Astronauten zeigt die Internationale Raumstation ISS und die Erde darunter./picture alliance, NASA
Eine Aufnahme aus der Kamera eines Nasa-Astronauten zeigt die Internationale Raumstation ISS und die Erde darunter./picture alliance, NASA

San Diego – Auf der Internationalen Raumstation ISS wird die mikrobielle Zusammensetzung auf den Arbeitsoberflächen durch Spezies der Haut dominiert. Der stark reduzierte Mikrobenmix kann sich allem Anschein nach negativ auf die Gesundheit von Astronautinnen und Astronauten auswirken, wie Forschende in Cell (DOI: 10.1016/j.cell.2025.01.039) schreiben. Eine Anreicherung mit harmlosen Erregern aus der Natur könnte die Situation verbessern, ohne das erforderliche Maß an Hygiene zu beeinträchtigen, so die Autorinnen und Autoren .

Astronauten können bei längeren Aufenthalten im Weltraum Funktionsstörungen des Immunsystems entwickeln, die zum Beispiel mit Hautausschlägen und anderen entzündlichen Erkrankungen einhergehen können. Als Ursache dafür nennen die Autoren eine zu reine beziehungsweise sterile Umgebung von Raumfahrzeugen.

Am Beispiel der ISS verdeutlichen die Wissenschaftler, dass dort eine viel geringere mikrobielle Vielfalt herrscht als anderswo in der Natur. Die mikrobielle Zusammensetzung auf der ISS gehe fast ausschließlich auf die Astronauten selbst zurück. Demgegenüber könne sich eine komplexere Zusammensetzung mit einer Mischung aus Mikroben von Mensch und Natur förderlich auf die Gesundheit von Astronauten auswirken, vermuten die Autoren.

„Raumstationen könnten davon profitieren, wenn gezielt vielfältige mikrobielle Gemeinschaften gefördert werden, die die natürlichen mikrobiellen Expositionen auf der Erde besser nachahmen, anstatt auf hochgradig desinfizierte Räume zu setzen", empfiehlt Co-Erstautor Rodolfo Salido, Wissenschaftler im Fachbereich Bioingenieurwesen an der University of California in San Diego.

Für die Studie haben Astronauten an verschiedenen Orten der ISS insgesamt über 800 Abstriche entnommen. Nach der Rückkehr auf der Erde ermittelten die Forschenden in den gesammelten Proben, welche Bakterienarten und Chemikalien nachweisbar waren und woher sie stammten.

Das Team fand heraus, dass das Haut-Mikrobiom die Hauptquelle für die Verbreitung von Mikroben auf der ISS war. Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln waren praktisch überall auf der ISS nachweisbar. „Wir haben festgestellt, dass die Fülle an Desinfektionsmittel auf den Oberflächen der Internationalen Raumstation stark mit der Mikrobiomvielfalt an verschiedenen Standorten der Raumstation korrelierte", berichtet Co-Erstautorin Nina Zhao, Wissenschaftlerin an der Skaggs School  für Pharmazie und Pharmazeutische Wissenschaften an der University of California in San Diego.

Besondere mikrobielle Gemeinschaften und chemischen Signaturen wurden zum Beispiel im Essbereich und im Raum für die Zubereitung von Speisen nachgewiesen, die von den Nahrungsbestandteilen stammten. Im sanitären Bereich der ISS dominierten ebenfalls andere Erreger, wie zum Beispiel Urin- und Stuhl-assoziierte Mikroben und deren Metabolite.

Die mikrobiellen Gemeinschaften auf der ISS ähnelten insgesamt denen aus ähnlich stark isolierten Umgebungen wie Krankenhäusern, geschlossenen Lebensräumen sowie Häusern in städtischen Gebieten, fassen die Autoren zusammen.

Harmlose Umweltmikroben, die normalerweise im Boden und im Wasser vorkommen, fehlten auf der ISS gänzlich. Eine gezielte Anreicherung mit derartigen Stämmen könnte die Gesundheit der Astronauten womöglich verbessern, ohne das erforderliche Maß an Hygiene zu beeinträchtigen, vermuten die Wissenschaftler. Es wäre wahrscheinlich von Vorteil, wenn streng geschlossene Umgebungen wie das Innere der ISS mit gesundheitsfördernden Mikroben angereichert werden, schlussfolgern sie. So konnte zum Beispiel bereits gezeigt werden, dass eine Exposition gegenüber Bauernhof-assoziierten Mikroben-Zusammensetzungen zu einer Verringerung des Asthmarisikos bei Kindern aus der Stadt führen kann (Nature Medicine 2019; DOI: 10.1038/s41591-019-0469-4).

Allerdings wären die Zusammenhänge, wie und welche mikrobielle Gemeinschaften die menschliche Gesundheit langfristig fördern, oft komplex und noch nicht ausreichend erforscht, geben die Autoren zu bedenken. Mit ihren Erkenntnissen möchten sie weitere Studien anregen, die dazu beitragen, die Gesundheit von Menschen zu verbessern, die in ähnlich sterilen Umgebungen auf der Erde leben und arbeiten.

cw

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung