HIV: Wechsel von TDF- auf TAF-basierter Therapie führt zur Gewichtszunahme

Bern – Der Austausch von Tenofovir-Disoproxil (TDF) durch Tenofovir-Alafenamid (TAF) in vielen derzeitigen antiretroviralen Kombinationen hat zwar das Risiko von Nieren- und Knochenschäden vermindert, viele HIV-Patienten beklagen jedoch eine Gewichtszunahme, die sich auch in einer Analyse der Swiss HIV-Kohortenstudie in den Annals of Internal Medicine (2021; DOI: 10.7326/M20-4853) zeigte.
Die Swiss HIV-Kohortenstudie begleitet seit 1988 alle HIV-Infizierten, die an den Unikliniken, Kantonsspitälern und zahlreichen Spezialpraxen in der Schweiz behandelt werden. Durch die große Teilnehmerzahl lassen sich die Auswirkungen der HIV-Therapie zeitnah verfolgen.
Eine wichtige Veränderung der letzten Jahre war der Wechsel von TDF auf TAF. TDF bildete lange das Rückgrat der meisten Kombinationstherapien, bis erkannt wurde, dass es bei einigen Patienten zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion und zu einer Osteoporose kommen kann. Dieser Nachteil wird bei einer TAF-basierten Therapie vermieden.
Ein Nachteil, der in den Zulassungsstudien nicht erkannt wurde (weil nicht danach gesucht wurde), ist offenbar eine Gewichtszunahme, über die sich viele Patienten beklagen. Ältere Patienten fühlen sich an die Lipodystrophie erinnert, zu der es in der Vergangenheit unter der Behandlung mit den damaligen Proteaseinhibitoren gekommen war.
Bernard Surial vom Inselspital der Universität Bern und Mitarbeiter haben hierzu die Erfahrungen der Swiss HIV-Kohortenstudie ausgewertet. Die Mediziner verglichen die Gewichtsentwicklung von 3.484 Patienten, die seit Anfang 2016 auf eine TAF-basierte Therapie gewechselt waren, mit den 891 Patienten, die bei TDF geblieben sind.
Die Ergebnisse bestätigen die Klagen der Patienten. In den ersten 18 Monaten nach der Umstellung auf TAF war es zu einer mittleren Gewichtszunahme von 1,7 kg gekommen gegenüber einer Zunahme um 0,7 kg in der Vergleichsgruppe, die bei TDF geblieben war. Die Differenz von 1,1 kg war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,7 bis 1,4 kg signifikant.
Unter der TAF-basierten Therapie wechselten 13,8 % der Patienten von Normalgewicht zu Übergewicht oder Adipositas verglichen mit 8,4 % der Patienten, die bei TDF geblieben waren. Die Differenz von 5,4 %punkten (2,1 bis 8,8 Prozentpunkte) war ebenfalls statistisch signifikant. Die Gewichtszunahme wurde begleitet von einem Anstieg des Gesamtcholesterins um 9,5 mg/dl, des HDL-Cholesterins um 1,9 mg/dl und des LDL-Cholesterins um 4,7 mg/dl. Die Triglyzeridspiegel stiegen in den 18 Monaten ebenfalls um 16,1 mg/dl an.
Eine Zunahme der Diabetesdiagnosen war nach dem relativ kurzen Zeitraum noch nicht zu beobachten. Dennoch zeigt sich Surial besorgt. Viele HIV-Patienten würden im Verlauf ihres Lebens Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln, die eine wichtige Todesursache in dieser Gruppe sein. Vor diesem Hintergrund müssten alle Stoffwechselveränderungen, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen, ernst genommen werden, so Surial.
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