Jo-Jo-Effekt nach Absetzen von Adipositas-Medikamenten

Peking – Patienten, die eine medikamentöse Therapie zur Gewichtsreduktion beenden, nehmen häufig innerhalb kurzer Zeit wieder zu. Eine Metaanalyse im Fachjournal BMC Medicine (2025; DOI: 10.1186/s12916-025-04200-0) zeigt, dass die Gewichtszunahme nach dem Absetzen von Anti-Adipositas-Medikamenten (AOMs) nicht nur früh einsetzt, sondern sich auch über mehrere Monate fortsetzt – insbesondere bei GLP-1-Analoga.
Das Forschungsteam um Xiaoling Cai und Linong Ji vom Peking University People’s Hospital wertete 11 randomisierte kontrollierte Studien mit 2.466 Teilnehmenden aus, davon 1.574 Menschen in Behandlungs- und 893 in Kontrollgruppen.
In den Behandlungsgruppen wurden 6 von der US-amerikanischen FDA zugelassene AOMs wie Liraglutid und Semaglutid aus der Wirkstoffgruppe GLP-1-Rezeptor-Agonisten, der Lipasehemmer Orlistat und die Kombinationspräparate Phentermin-Topiramat oder Naltrexon-Bupropion eingesetzt – jeweils über mindestens 4 Wochen, gefolgt von einer Nachbeobachtung von ebenfalls mindestens 4 Wochen.
Die Gewichtsveränderung wurde anhand der Veränderungen des Körpergewichts und des BMI nach Absetzen der Medikamente gemessen. Zudem berücksichtigte die Forschungsgruppe verschiedene Einflussfaktoren, darunter die Art der Medikation, das Vorliegen von Diabetes und das Vorhandensein oder Fehlen von Änderungen des Lebensstils wie Ernährung oder Bewegung.
Gewichtszuwachs ab Woche 8
Die Daten zeigen: In den ersten 4 Wochen nach Absetzen blieb der Gewichtsverlust im Vergleich zur Kontrollgruppe zunächst bestehen (mittlerer Unterschied: −0,32 kg; 95 %-Konfidenzintervall: −3,60 bis 2,97; p = 0,85). Bereits 8 Wochen nach Absetzen veränderte sich das jedoch: Im Mittel betrug die Gewichtszunahme gegenüber der Kontrollgruppe 1,5 kg (95 %-KI: 1,32–1,68; p < 0,0001).
Der Trend setzte sich fort: Nach 12 Wochen lag der mittlere Zuwachs bei 1,76 kg, nach 20 Wochen bei 2,5 kg und nach 26 Wochen bei 2,3 kg. Ein Jahr nach Therapieende hatten die Behandelten im Durchschnitt 2,47 kg mehr Gewicht als unmittelbar nach Absetzen der Medikation.
Zusammenfassend beschreiben die Autorinnen und Autoren, dass sich ab Woche 8 ein kontinuierlicher Anstieg des Körpergewichts zeigte, der sich etwa 6 Monate nach Absetzen abschwächte und anschließend auf höherem Niveau stabilisierte.
GLP-1-Analoga besonders betroffen
Besonders ausgeprägt war der Rückfalleffekt bei jenen Studien, in denen GLP-1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid oder Semaglutid eingesetzt wurden. „In Woche 12 nach Absetzen der AOMs wurde in der Untergruppe der GLP-1-bezogenen Medikamente im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Gewichtszunahme beobachtet“, stellt die Forschungsgruppe dazu fest.
Beispielsweise nahmen diejenigen, die eine 36-wöchige Behandlung mit dem dualen GIP/GLP-1-Rezeptor-Agonisten Tirzepatid abgeschlossen hatten, nach der Umstellung auf ein Placebo fast die Hälfte des zuvor verlorenen Gewichts wieder zu.
Unabhängig davon, was genau die erneute Gewichtszunahme auslöste, trat der Rückfalleffekt laut der Analyse sowohl bei Teilnehmenden mit rein adipöser Indikation als auch bei jenen mit Adipositas und Typ-2-Diabetes auf.
Vor allem nahmen Personen mit initial starkem Gewichtsverlust während der Behandlung nach Absetzen mehr zu als solche mit moderatem Erfolg.
Keinen Einfluss scheint indes die Geschwindigkeit zu nehmen, mit der während einer Behandlung Gewicht verloren wurde, so ein weiteres Ergebnis der Arbeit.
Der beobachtete Trend zur erneuten Gewichtszunahme nach Absetzen entsprechender Medikamente bestätigt nach Ansicht des Diabetologen Stephan Martin bereits vorliegende Erkenntnisse. Der Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums des Verbunds Katholischer Kliniken in Düsseldorf berichtet, dass auch einige Hersteller der Medikamente dies selbst durch randomisierte Studien nachgewiesen hätten.
Überraschend: Auch Studien, in denen nach Therapieende Lebensstilinterventionen wie Bewegung oder Ernährungsberatung fortgesetzt wurden, zeigten eine signifikante Gewichtszunahme. In Subgruppen ohne fortgesetzte Intervention war dies nicht der Fall – ein Ergebnis, das den bisherigen Erkenntnissen widerspricht und laut den Autorinnen und Autoren möglicherweise auf zu geringe Fallzahlen zurückzuführen ist.
Einschränkungen der Metaanalyse
Die Analyse ist mit mehreren Limitationen behaftet, welche in der Arbeit aufgezählt werden: Die Zahl der verfügbaren Studien sei begrenzt gewesen, insbesondere für längere Follow-up-Zeiträume. Zudem habe der Fokus vieler Originalstudien nicht primär auf dem Gewicht nach Therapieende gelegen. Interventionen mit chirurgischen oder rein verhaltensbasierten Maßnahmen seien darüber hinaus ausgeschlossen gewesen, sodass ein Vergleich mit anderen Therapieformen fehlte.
Aus der Literatur sei indes bekannt, dass es auch bei jenen anderen Strategien häufig zu einem Jo-Jo-Effekt komme. So gebe es etwa Berichte, denen zufolge bei Patientinnen und Patienten mit einem Magenbypass oder einem Magenband nach 15 Jahren im Schnitt mehr als 5 % ihres niedrigsten Gewichts zurückgewannen.
„Bei verhaltenstherapeutischen Programmen zur Gewichtsabnahme wurde nachgewiesen, dass Personen in der verhaltenstherapeutischen Gruppe schneller wieder an Gewicht zunahmen als in der Gruppe mit minimaler Intervention“, zählt die Gruppe zudem auf und schreibt weiter: „Dieses Phänomen könnte mit dem Ausmaß der ursprünglichen Gewichtsabnahme zusammenhängen.“
Eine 10-jährige Beobachtungsstudie hätte zudem gezeigt, dass nur 25 % der Menschen, die mit einer kalorienarmen Diät abnahmen, ihren Gewichtsverlust beibehielten. „Daher kommt es bei verschiedenen Strategien zur Gewichtsabnahme häufig zu einer erneuten Gewichtszunahme, und es ist notwendig, die langfristige Behandlung von Adipositas in der klinischen Praxis zu etablieren“, schließen die Autorinnen und Autoren.
Permanente Therapie nötig
Ein Fazit, dem sich auch Anja Hilbert, Professorin für Verhaltensmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, anschließt: „Die Ergebnisse der Studie legen eigentlich nahe, dass zur Gewichtsstabilisierung eine längerfristige, vielleicht sogar lebenslange Einnahme erforderlich sein könnten.“
Auch Diabetologe Martin betont: „Es ist eine Dauertherapie.“ Wer glaube, er könne mit dieser Therapie abnehmen und dann sei die Welt in Ordnung, der irre. „Man braucht diese Therapie permanent.“ Sowohl Hilbert als auch Martin waren nicht an der Metaanalyse beteiligt.
Die Notwendigkeit einer dauerhaften Therapie sei indes vermutlich nicht vielen Menschen bewusst oder werde von ihnen in Kauf genommen, ergänzt Martin mit Blick auf Zahlen aus den USA.
So hätten dort Untersuchungen zufolge zwei Drittel der gegen Adipositas behandelten Menschen, meist Selbstzahler, im Laufe eines Jahres damit wieder aufgehört. „Wir wissen nicht warum: Vielleicht wird es zu teuer, vielleicht haben sie genug Gewicht abgenommen und glauben, das sich das jetzt hält“, sagt der Chefarzt für Diabetologie, der für mehr Prävention statt Behandlung der Folgen plädiert.
Die Kosten sind auch ein Thema in Deutschland: „Die Behandlung mit GLP-1-RA kostet einige Hundert Euro pro Monat, etwa 23 Prozent unserer Bevölkerung haben Adipositas“, merkt Hilbert an, die ebenfalls für Übergewichtsprävention wirbt. „Rechnet man durch, was es kosten würde, allen Betroffenen dauerhaft Zugang zu diesen Medikamenten zu ermöglichen, zeigt sich, wie schwierig das zu finanzieren wäre.“
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