Narzissten fühlen sich eher ausgegrenzt

Basel – Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen haben die Tendenz, sich häufiger ausgegrenzt zu fühlen. Dieser Eindruck kann gleichermaßen auf Missverständnissen, als auch auf tatsächlicher Ausgrenzung beruhen. Zu diesem Schluss kommen Forschende aus der Schweiz in einer Reihe verschiedener Untersuchungen (Journal of Personality and Social Psychology 2025; DOI: 10.1037/pspp0000547).
In 2 landesweit repräsentativen Panelumfragen, einer Stichprobenstudie und 6 Experimenten mit 77.289 Teilnehmenden untersuchen die Forschenden Zusammenhänge zwischen grandiosem Narzissmus und Ausgrenzung.
Diese Persönlichkeitsstörung beschreibt Menschen mit hohen Ansprüchen und dominanten beziehungsweise manipulativem Verhalten, die ein starkes Verlangen nach Bewunderung und eine Tendenz zur Suche nach Status und Anerkennung haben.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit einem höheren Maß an Narzissmus empfindlicher auf Ausgrenzungsreize reagieren, was dazu führt, dass sie Ausgrenzung häufiger wahrnehmen", resümierte Erstautorin Christiane Büttner, Wissenschaftlerin an der Fakultät für Psychologie an der Universität Basel.
Es könnte sein, dass narzisstische Persönlichkeiten tatsächlich stärker gemieden werden oder sie missverstehen mehrdeutige soziale Signale als Ausgrenzung.
Sich ausgegrenzt zu fühlen, ist eine subjektive Erfahrung, die auf der Wahrnehmung sozialer Signale durch das Individuum basiert. „Einige werden vielleicht absichtlich geächtet, während andere nur glauben, dass sie ausgeschlossen werden, obwohl das nicht der Fall ist“, ergänzte Büttner.
Fragebogen: positive, aber schwache Korrelation
Im ersten Teil der Arbeit erhoben sie Daten von 1.592 Personen aus Deutschland im durchschnittlichen Alter von 53 Jahren. Sie hatten im Jahr 2015 Fragen zu Narzissmus (Narcissistic Admiration and Rivalry Questionnaire, NARQ, Kurzversion mit 6 Fragen) und Ausgrenzung (Ostracism Short Scale, 4 Fragen) beantwortetet.
Demnach erlebten Menschen mit einem höheren Narzissmus-Niveau signifikant mehr Ausgrenzung, als Personen mit weniger stark ausgeprägtem Narzissmus. Der Korrelationskoeffizient von 0,13 (95-%-KI, 0,11-0,15, p<0,001) deutet dabei auf eine zwar positive, aber schwache Korrelation hin. Üblicherweise werden Werte ab 0,2 als Indikator für einen Zusammenhang betrachtet.
„Der Zusammenhang zwischen Narzissmus und Erfahrungen von Ausgrenzung ist über viele Menschen hinweg positiv, aber statistisch gesehen klein“, erklärte Erstautorin Büttner. Dies sei bei Korrelationsstudien, die auf vielen verschiedenen Erfahrungen basieren, nicht ungewöhnlich, da viele verschiedene Faktoren das Erleben von Ausgrenzung beeinflussen können.
„Deutlichere Zusammenhänge zeigen sich jedoch, wenn man sich auf spezifische soziale Situationen konzentriert, wie weitere Teilstudien unseres Artikels zeigen konnten. Hier lassen sich situative Dynamiken besser erfassen, die in aggregierten Analysen häufig nivelliert werden“, so Büttner.
Aufbauend zu diesen Ergebnissen wurde eine weitere Studie mit 323 Teilnehmenden im durchschnittlichen Alter von 38 Jahren angesetzt. Als erstes wurde ihr narzisstisches Potenzial anhand des NARQ ermittelt und Gefühle der Ausgrenzung in der Vergangenheit abgefragt. Für die nächsten 14 Tagen sollten sie mit Hilfe einer App (ExpiWell) protokollierten, wann immer sie sich ausgeschlossen oder vernachlässigt fühlten.
Personen mit einem höheren Maß an Narzissmus erlebten häufiger Ausgrenzungserfahrungen im täglichen Leben als im Vergleich zu weniger narzisstischen Personen (Korrelationskoeffizient 0,13, 95-%-KI, 0,02-0,24, p = 0,017).
Zudem werteten narzisstische Individuen mehrdeutige soziale Interaktionen, bei denen Ausgrenzung nicht explizit ausgesprochen wird, eher als ausgrenzend (Regressionskoeffizient b für Rivalität = 0,35, 95-%-KI 0,15-0,55), p < .001; für Bewunderung b = 0,21, 95-%-KI 0,06-0.35, p = .006).
Ausgrenzung kann narzisstische Züge begünstigen
Interessanterweise fanden die Forschenden in einem weiteren Teil ihrer Studie auch Hinweise darauf, dass die Beziehung zwischen Narzissmus und sozialer Ausgrenzung in beide Richtungen Gültigkeit besitzt.
„Narzissmus kann zur sozialen Ausgrenzung beitragen, aber auch Ausgrenzung selbst kann die Entwicklung narzisstischer Züge begünstigen“, erklärte Büttner. Zusätzliche Langzeitstudien mit Befragungen hätten ergeben, dass auf den Gefühlen der Ausgrenzung ein Jahr später Veränderungen des Narzissmus-Niveaus folgten – und umgekehrt.
Ihre Ergebnisse unterstreichen die komplexen Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und sozialen Erfahrungen, so Büttner. „Wenn Menschen mit hohen narzisstischen Zügen sich eher ausgeschlossen fühlen und ausgegrenzt werden, könnte dies dazu beitragen, dass die Spannungen am Arbeitsplatz oder in sozialen Gruppen eskalieren“, gab sie zu bedenken.
Das Thema Ausgrenzung bedürfe einer sensiblen Auseinandersetzung mit allen Beteiligten, so der Rat der Studienautoren. Um zwischenmenschliche Beziehungen zu verbessern, sollten das Verhalten der beteiligten Personen aber auch die jeweiligen Wahrnehmungen analysiert werden.
Es wäre kaum verwunderlich, dass Narzissten Schwierigkeiten hätten, Beziehungen ohne Ausgrenzungserfahrungen aufrechtzuerhalten, schildern die Wissenschaftler.
Aufgrund ihrer Persönlichkeitsmerkmale würden Grandios-maligne Narzissten dazu neigen, im sozialen Umfeld Rivalitäten und Schikanierungen anzuzetteln und keine Hilfestellungen zu geben (Personality and Individual Differences 2012; DOI: 10.1016/j.paid.2011.11.020; 2014, DOI: 10.1016/j.paid.2013.08.035). Solche Verhaltensweisen könnten dazu beitragen, häufiger mit Ausgrenzung konfrontiert zu werden.
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