Medizin

Post-Vac-Syndrom: Hinweise auf Immundysregulation, Spike-Persistenz und EBV-Reaktivierung

  • Donnerstag, 20. Februar 2025
/picture alliance, Fabian Sommer
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New Haven – Bisher ist unklar, warum einige Menschen im Anschluss an eine Impfung gegen COVID-19 über anhaltende Symptome klagen, die denen von Long COVID ähneln. Eine Studie in medRxiv (2025; DOI: 10.1101/2025.02.18.25322379) liefert jetzt erste Ansätze für eine Erklärung.

Die Impfungen gegen COVID-19 werden in der Regel gut vertragen. An der Injektionsstelle kann es zu leichten Schmerzen und gelegentlich zu einer Rötung kommen. Ein leichtes Unwohlsein, manchmal mit einem Fieber verbunden zeigt, dass das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert hat.

Schwere Komplikationen wie das Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom, ein Guillain-Barré-Syndrom oder eine idiopathische Fazialisparese sind selten und diagnostisch gut fassbar. Anders ist dies bei Patienten, die im Anschluss an eine Impfung über Symptome von Long COVID klagen, obwohl es keine Hinweise auf eine akute Infektion mit SARS-CoV-2 gibt und alle Laborwerte normal sind.

Mediziner der Yale Universität untersuchen derzeit in der LISTEN-Studie (Listen to Immune, Symptom and Treatment Experiences Now) nach Erklärungen für Long COVID und das Post-Vac-Syndrom (PVS).

Das Team um Akiko Iwasaki stellt erste Untersuchungsergebnisse zu 42 PVS-Patienten vor. Bei den Patienten war es innerhalb eines oder weniger Tage nach einer Impfung mit Comirnaty (Pfizer), Spikevax (Moderna) oder Jcovden (J&J) zu PVS-Symptomen gekommen.

Am häufigsten waren dies exzessive Müdigkeit (85 %), Kribbeln und Taubheit (80 %), leichte Erschöpfung bei körperlichen Bewegungen (80 %), „Brain fog“ (77,5 %), Konzentrationsstörungen (72,5 %), Schlafstörungen (70 %), Neuropathie (70 %), Muskelschmerzen (70 %), Angstzustände (65 %), Tinnitus (60 %) und brennende Empfindungen (57,5 %).

Das sind auch die typischen Symptome von Long COVID, aber bei keinem Patienten gab es Hinweise auf eine akute Infektion (15 der 42 Patienten hatten eine frühere Infektion in der Anamnese).

Die Forscher verglichen die Patienten mit einer Kontrollgruppe von 22 Personen, bei denen es nach der Impfung zu keinen anhaltenden Beschwerden gekommen war.

Beide Gruppen wurden intensiv untersucht mit Tests zu möglichen latenten Infektionen mit SARS-CoV-2, zu Störungen des Immunsystems, zu möglichen Autoantikörpern, zu einer möglichen Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus und zu Hormonstörungen. Die Ergebnisse wurden teilweise mithilfe einer künstlichen Intelligenz ausgewertet.

Die Forscher fanden einige Unterschiede zwischen den PVS-Patienten und der Kontrollgruppe. Iwasaki betont, dass es sich aufgrund der geringen Fallzahl um vorläufige Ergebnisse handelt, die einen Zusammenhang nicht beweisen.

Zu den Auffälligkeiten gehört ein verändertes Immunprofil mit einer verringerten Zahl von zirkulierenden Gedächtnis- und Effektor-CD4-T-Zellen (Typ 1 und Typ 2) sowie ein Anstieg der TNF-alpha produzierenden CD8-T-Zellen. Die pathogenetische Bedeutung dieser Immundysregulation ist laut Iwasaki noch unklar.

Die zweite Auffälligkeit war eine Persistenz des Spike-Proteins. Alle drei Impfstoffe enthalten die genetische Anleitung für die Produktion des Spike-Proteins, die in den körpereigenen Zellen erfolgt. Die Spike-Proteine werden dann in die Körperflüssigkeiten abgegeben, wo sie das Immunsystem zur Produktion der schützenden Antikörper anregen.

Normalerweise sind die Spike-Proteine nach der Impfung nur für wenige Tage im Blut vorhanden, bevor sie dort von Enzymen abgebaut werden. Bei einigen PVS-Patienten waren sie nach ihrer letzten Impfung teilweise bis über 700 Tage nachweisbar, bei anderen Patienten gab es dagegen keine Hinweise auf eine Persistenz. Auch hier sei unklar, in welchem Zusammenhang dies mit den Symptomen der Patienten steht, schreibt Iwasaki.

Bei einigen Patienten fanden die Forscher Hinweise auf eine Reaktivierung von Epstein-Barr-Viren, die als Herpes-Viren nach dem Primärinfekt lebenslang in den infizierten Zellen überleben. Bei bestimmten Triggern kommt es zu einer Reaktivierung mit unterschiedlichen Symptomen. Ob PVS dazugehört, kann laut Iwasaki aus den bisherigen Ergebnissen nicht geschlossen werden.

Insgesamt liefert die Studie mehr Hypothesen als Erklärungen. Die Forscher betonen mehrfach, dass sie eine Erklärung für das PVS noch nicht gefunden haben. Die Studie soll mit einer größeren Teilnehmerzahl fortgesetzt werden.

rme

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