Medizin

Randomisierte Studie: RAS-Hemmung bei COVID-19 unproblematisch

  • Freitag, 4. September 2020
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Durham/Berlin – Bei Herzpatienten, die wegen einer COVID-19-Erkrankung im Kranken­haus behandelt werden, kann die Therapie mit ACE-Inhibitoren (ACEi) oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARB) fortgeführt werden, ohne dass ein schwerwiegenderer Verlauf von COVID-19 zu befürchten ist. Dies zeigt eine am Dienstag beim diesjährigen virtuellen Kongress der European Society of Cardiology (ESC) präsentierte randomisierte Studie.

Die von Medizinern des Duke Clinical Research Institute (DCRI), Durham, USA, durchge­führte Untersuchung bestätigt die Ergebnisse mehrerer großer Beobachtungsstudien, die ebenfalls Entwarnung bezüglich der Anwendung von RAS-Hemmern zur Blutdruck­senkung gegeben hatten.

„Es sind die ersten randomisierten Daten zu Fortführung versus Unterbrechung einer Therapie mit ACE-Inhibitoren und ARB bei Patienten mit COVID-19“, sagte Studienleiter Renato Lopes.

Die pharmakologische Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) mithilfe von ACEi/ARB reduziert bei verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen Morbidität und Mortalität. Doch das RAS-Schlüsselenzym ACE2 wandelt nicht nur Angiotensin II in den alternativen RAS-Metaboliten Angiotensin (1-7) um, es fungiert auch als Eintrittspforte für SARS-CoV-2 in die Zelle. Und aus präklinischen Beobachtungen ist bekannt, dass diese Substanzen das Vorhandensein des SARS-CoV-2 Virusrezeptor ACE2 auf der Zell­membran erhöhen.

Ursprüngliche Befürchtungen waren unbegründet

Zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie war deshalb befürchtet worden, dass ACEi/ARB die ACE2-Expression beziehungsweise -aktivität hochregulieren könnten. Dadurch hätten diese weit verbreiteten Substanzen das Infektionsrisiko erhöhen oder den Verlauf von COVID-19 negativ beeinflussen können.

In der nun beim ESC 2020 vorgestellten Phase-IV-Studie BRACE CORONA wurden 659 stationär behandelte COVID-19-Patienten mit kardiovaskulärer Vorerkrankung entweder wie gehabt weiter mit ACEi/ARB behandelt oder die Behandlung wurde 30 Tage lang ausgesetzt.

Als primärer Endpunkt diente die Zahl der Tage, die die genesenen Patienten innerhalb dieser 30 Tage nicht mehr im Krankenhaus behandelt werden mussten. Wie sich heraus­stellte gab es dahingehend keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen: Bei den Patienten mit Therapieunterbrechung waren dies 21,9 Tage, bei den Patienten mit fortlaufender Therapie 22,9 Tage (Differenz -1,1 Tage [95-%-KI -2,33-0,17]).

Auch der prozentuale Anteil an überlebenden Patienten, die am Ende der 30 Tage nicht mehr länger im Krankenhaus waren (91,8 vs. 95 %), sowie die 30-Tage-Mortalitätsrate (2,8 vs. 2,7 %) waren zwischen den beiden Gruppen vergleichbar.

„Da diese Daten zeigen, dass es keinen klinischen Nutzen hat, diese Medikamente bei hospitalisierten Patienten mit leichter bis moderater COVID-19-Erkrankung abzusetzen, sollten sie bei entsprechender Indikation weiter gegeben werden“, resümierte Lopes.

Pharmakologisch ist die Wirkung gleich

Hinweise darauf, weshalb ACEi/ARB entgegen der ursprünglichen Befürchtungen keinen negativen Effekt bei COVID-19 haben, lieferte kürzlich eine Studie der Charité-Universi­täts­medizin Berlin. Darin wurde die pharmakologische Wirkung der Medikamente direkt in Plasmaproben von COVID-19 Patienten unter Behandlung mit ACEi/ARBs und Kontrollproben untersucht.

„ACE-Hemmer und ARB beeinflussen durch ihre Wirkweise die Plasmaspiegel der Angio­tensin Peptide. Die Regulation dieser Peptide und deren Bindung an Zielrezeptoren vermittelt den therapeutischen Effekt, wie zum Beispiel die Blutdrucksenkung“, erklärte Ulrich Kintscher, Direktor des Instituts für Pharmakologie an der Charité und Erstautor der in Hypertension erschienenen Studie (DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.120.15841).

Es zeigte sich, dass auf Ebene der Angiotensin-Peptide keine signifikanten Unterschiede – und somit keine abnormale Regulation des RAS – zwischen den unbehandelten Kontrollen und den COVID-19 Patienten detektierbar waren. Der Einsatz der Blutdruck­senker führte hinsichtlich ihrer therapeutischen Wirkung bei den Kontrollen und den COVID-19 Patienten zu vergleichbaren pharmakologischen Effekten.

Kintscher ergänzte, dass ACE-Hemmer bei COVID-19 zu einer Erhöhung von ACE2 im Plasma führte, nicht jedoch des membrangebundenen ACE2, welches als Eintrittspforte für SARS-CoV-2 dient. Die Bedeutung dieser Hochregulation des gelösten ACE2 sei noch unklar.

nec

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