SARS-CoV-2: Impfstoff aus Indien vermutlich gegen Variante B.1.617 wirksam

Neu Delhi und New York – Der rasche Anstieg der Erkrankungszahlen in Indien lässt sich nach Ansicht von britischen Experten auch ohne eine erhöhte Ansteckungsfähigkeit der Variante B.1.617 erklären. Ein in Indien eingesetzter Impfstoff wäre nach einer vom Hersteller in bioRXiv (2021; DOI: 10.1101/2021.04.23.441101) veröffentlichten Studie wirksam.
Die 2. Erkrankungswelle hat in Indien zu einem Kollaps des Gesundheitswesens geführt und andernorts Ängste vor einer möglicherweise besonders aggressiven neuen Variante B.1.617 geweckt. Für den Virologen Julian Tang von der Universität Leicester ist die Entwicklung der Fallzahlen jedoch mit einem R-Wert von 1,5 vereinbar, wie ihn Großbritannien im Januar erlebt hat. Er konnte dort durch einen radikalen Lockdown und durch die Intensivierungen der Impfkampagne gestoppt werden.
Bei einem R-Wert von 1,5 infizieren 2 Personen 3 weitere Personen. Dies reicht nach den Berechnungen von Tang aus, um die Zahl der Erkrankungen von 15.000 Anfang März auf derzeit 350.000 pro Tag ansteigen zu lassen. Dazu seien nur etwa 8 bis 11 Vermehrungszyklen notwendig, zu denen es bei einer Inkubationszeit von 5 bis 7 Tagen gekommen sein könnte.
Zu einem ungebremsten Wachstum hat nach Ansicht von Michael Head von der University of Southampton beigetragen, dass die indische Regierung die Situation im März falsch einschätzte und von einem baldigen Ende der Welle ausging.
Wahlen in mehreren Teilstaaten, die Wallfahrt Kumbh Mela, die weltweit größte religiöse Veransammlung, und vielleicht auch ein Cricketmatch zwischen Indien und England mit vollen Stadien und wenigen Maskenträgern hätten die Epidemie ebenfalls gefördert, meint der Global-Health-Forscher gegenüber dem Science Media Center.
Ein Gipfel der Erkrankungen ist nach Einschätzung von Head nicht in Sicht, da der Anteil der positiven Ergebnisse an den Nachweistests mit 18 % sehr hoch sei. Eine hohe „test positivity rate“ zeigt eine hohe Dunkelziffer von unerkannten Infektionen an. Der Wert sollte nach einer Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht über 10 % liegen.
Ein weiteres Problem, das die Eindämmung derzeit erschwert, ist nach Ansicht von Martin Hibberd von der London School of Hygiene & Tropical Medicine die geringe Impfquote von derzeit 9 %. Indien sei zwar der weltweit größte Produzent von Impfstoffen, die Impfkampagne komme jedoch nur schleppend in Gang.
Der in Indien entwickelte Impfstoff BBV152 schützt laut einer Studie des Herstellers auch gegen die Variante B.1.617. BBV152 wurde vom Indian Council of Medical Research in Neu Delhi zusammen mit der Firma Bharat Biotech aus Hyderabad entwickelt.
Er besteht aus inaktivierten Viren und hat laut dem Hersteller eine Impfstoffwirksamkeit von 78 % gegen leichte und mittelschwere Erkrankungen erzielt. Schwere COVID-19-Verläufe wurden vollständig verhindert. Pragya Yadav vom Indian Council of Medical Research und Mitarbeiter konnten die Variante B.1.617 in Zellkulturen vermehren und nach eigener Aussage zeigen, dass die Seren von mit BBV152 geimpften Personen die Infektion der Zellen verhindern.
Dies deutet darauf hin, dass der in Indien entwickelte und produzierte Impfstoff vor der Variante B.1.617 schützt. Auch die Seren von konvaleszenten Patienten haben das Virus in den Zellkulturen gestoppt, was gegen ein Immunescape von B.1.617 spricht.
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