Medizin

SARS-CoV-2 infiziert Herzzellen und verändert ihre Genaktivität

  • Freitag, 10. Juli 2020
/freshidea, stock.adobe.com
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Hamburg – SARS-CoV-2 kann offenbar auch Herzzellen infizieren und sich darin vermeh­ren. Zudem ist es in der Lage, die Genaktivität der infizierten Herzzellen zu verändern. Das geht aus einer aktuellen Studie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hervor. Ob dies klinische Auswirkungen für Herzpatienten haben könnte, ist noch unklar.

Für die zur Veröffentlichung in JAMA Cardiology angenommene, aber noch nicht publizierte Studie untersuchten Mitarbeiter der Klinik für Kardiologie und des Instituts für Rechtmedizin am UKE 39 verstorbene Herzpatientinnen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren.

„Bisher wusste man nicht, in wie vielen Fällen SARS-CoV-2 auch das Herz befällt und – wenn es das tut – ob es sich in Herzzellen vermehren und dort krankhafte Veränderun­gen hervorrufen kann“, sagte Studienleiter Dirk Westermann.

Die aktuellen Untersuchungsergebnisse schaffen mehr Klarheit: Bei rund 2/3 der untersuchten Patienten (24 von 39) konnte im Herzgewebe SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. In 16 Fällen fand sich das Virus in Mengen, die klinische Auswirkungen hätten haben können (> 1.000 Viruskopien/µg RNA).

Bei den 5 Patienten mit den höchsten Virusmengen identifizierten die Wissenschaftler den Plus- und Minus-Strang des Virus-Erbguts. „Das ist das Zeichen, dass sich das Virus auch in der betreffenden Zelle vermehrt“, erklärte Westermann. Ob dies allerdings Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf habe, lasse sich noch nicht abschließend sagen.

Was sich aber zeigte, war, dass die Anwesenheit des Virus in den Herzzellen mit einer Veränderung der Genaktivität einhergeht. 6 Gene, die für ihre entzündungsfördernde Wirkung bekannt sind, hatte das Team um Westermann genauer unter die Lupe genommen. Ihre Aktivität war bei den 16 Patienten mit der höchsten Viruslast deutlich erhöht.

„Dies hätte auf das Vorliegen einer Herzmuskelentzündung schließen lassen können. Gleichwohl haben wir keine typischen Kennzeichen einer solchen Entzündung – etwa das Einwandern von Entzündungszellen aus dem umliegenden Gewebe in den Herzmuskel – finden können“, so Westermann. Diese Ergebnisse unterstützten die bisherige Beobachtung, dass eine Herzmuskelentzündung im Zusammenhang mit COVID-19 nur sehr selten auftrete.

Allerdings könnte die durch die Infektion hervorgerufene veränderte Genaktivität in den Herzzellen Langzeitfolgen für die Gesundheit der Betroffenen haben. Um dies abzu­klären, seien künftig Reihenuntersuchungen an lebenden COVID-19-Patienten notwendig.

Studienpatienten waren typische COVID-19-Patienten

Die für die Studie untersuchten verstorbenen Patienten (23 Frauen und 16 Männer) waren im Mittel 85 Jahre alt. Alle wurden zu Lebzeiten mit einem Rachenabstrich positiv auf SARS-CoV-2 getestet und entwickelten die für COVID-19 typische Pneumonie.

Nach ihrem Tod wurden sie gerichtsmedizinisch untersucht, wobei auch die für die späteren genetischen Untersuchungen notwendigen Gewebeproben entnommen wurden.

„Die Patienten repräsentieren mit ihren altersgerechten Vorerkrankungen wie Bluthochdruck und koronare Herzerkrankung die typischen COVID-19-Patienten in Deutschland“, erläuterte Stefan Blankenberg, Co-Autor der Studie und Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums am UKE.

Eine Limitation der Studie sei aber, dass bislang nur Verstorbene untersucht werden konnten. „Wichtig wird sein, so Blankenberg, „diese Erkenntnisse in Zukunft an Überle­benden der Erkrankung zu validieren.“

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