SARS-CoV-2: Variante B.1.1.7 laut Studie ansteckender, aber nicht tödlicher

London – Eine Infektion mit der Variante B.1.1.7 von SARS-CoV-2 führt zwar zu einer erhöhten Viruslast, was die rasante Ausbreitung in den letzten Monaten erklärt. Ein Anstieg der Fallsterblichkeit bei hospitalisierten Patienten war in einer Kohortenstudie in Lancet Infectious Diseases (2021; DOI: 10.1016/S1473-3099(21)00170-5) jedoch nicht nachweisbar.
Auch bei den Usern einer britischen Corona-App ist es nicht zu einem Anstieg schwerer Erkrankungen gekommen. Dort fanden sich laut dem Bericht in Lancet Public Health (2021; DOI: 10.1016/S2468-2667(21)00055-4) außerdem keine Hinweise auf eine erhöhte Rate von Reinfektionen.
Die verschiedenen Mutationen an der Rezeptorbindungsstelle des Spikeproteins erleichtert der Variante B.1.1.7 den Eintritt in die Zellen. Dies führt zu einer gesteigerten Replikation und damit zu einer erhöhten Viruslast. Dies erklärt zum einen die erhöhte Ansteckungsfähigkeit der Viren, was die Eindämmung der Epidemie in den letzen Monaten erschwert hat. Eine 2. plausible Folge wäre eine erhöhte Pathogenität, da mehr Viren mehr Zerstörungen anrichten.
In den letzten Wochen sind mehrere Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass Infektionen mit der Variante B.1.1.7 häufiger tödlich verlaufen. Diese Studien haben die Ergebnisse von PCR-Tests mit den Sterberegistern in Beziehung gesetzt. Dies ermöglicht eine hohe Fallzahl und damit statistisch stich haltige Ergebnisse.
Die PCR-Tests liefern jedoch nur einen indirekten Hinweis auf die Variante B.1.1.7. Sie fällt dadurch auf, dass eines der 3 Gene im Test nicht nachweisbar ist, da es sich in einer veränderten Region des S-Gens befindet – auf diese Weise waren die Forscher überhaupt erst auf die Varianten aufmerksam geworden.
Es werden allerdings nicht überall dieselben Tests durchgeführt, was schnell zu Verzerrungen führen kann. Die Gefahr einer möglichen Fehleinschätzung steigt, wenn das Sterberisiko in einer Gruppe insgesamt gering ist, was bei bevölkerungsbasierten Untersuchungen zwangsläufig der Fall ist. Die Fallsterblichkeit bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 liegt bei unter 1 %.
Sie steigt deutlich an, wenn die Analyse auf Personen beschränkt wird, die wegen einer Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden müssen. Hier besteht in der Regel auch die Möglichkeit, die Viren der Patienten näher zu untersuchen. Ein Team um Eleni Nastouli vom University College London konnte bei 341 Patienten, die vor dem 20. Dezember in 2 Kliniken der Hauptstadt behandelt wurden, das gesamte Genom des Erregers bestimmen, was eine unzweifelhafte Identifizierung von B.1.1.7. ermöglicht.
Die Analyse ergab, dass 198 Patienten (58 %) mit B.1.1.7 und 143 (42 %) nicht mit B.1.1.7 infiziert waren. Ein 2. Vorteil der Studie bestand darin, dass die Forscher Zugriff auf die Krankenakten hatten. Sie konnten dadurch genau untersuchen, wie schwer die Patienten erkrankt waren.
Ergebnis: Die Variante B.1.1.7 war bei den hospitalisierten Patienten nicht mit einem schwereren Krankheitsverlauf oder dem Tod verbunden. Laut Nastouli hatten 38 % der Patienten einen WHO-Krankheitslevel 6 (nicht-invasive Beatmung) bis 10 (Tod). Bei den Patienten ohne Variante B.1.1.7 Betrug der Anteil 36 %. Auch bei den Todesfällen (16 % versus 17 %) gab es keine Unterschiede.
Danach bereitet eine Infektion mit B.1.1.7 im Krankenhaus keine zusätzlichen Probleme, obwohl die Viruslast laut der Studie erhöht ist. Die Zahl der PCR-Zyklen, die für einen Nachweis der Virusgene benötigt werden, war bei einer Infektion mit B.1.1.7 geringer (28,8 versus 32,0). Eine geringere Zahl der Zyklen ist gleichbedeutend mit einer erhöhten Viruslast und damit mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko.
Auch eine Analyse der Einträge in eine Corona-App, die 4,3 Millionen Briten auf ihr Smartphone geladen haben, liefert keine Hinweise dafür, dass die Häufigkeit der Symptome zugenommen hat: Die Angaben der User unterschieden sich zwischen September und Ende Dezember letzten Jahres nicht, obwohl sich B.1.1.7 in dieser Zeit stark ausgebreitet hat.
Auch die Zahl der User, die nach einem längeren Intervall ein 2. Mal einen positiven PCR-Test angaben, hat sich laut der Auswertung von Mark Graham vom King’s College London nicht verändert. Insgesamt hatten sich 249 von insgesamt 36.509 User, die die App auch verwendet hatten, ein 2. Mal mit SARS-CoV-2 infiziert. Dies ergibt ein Reinfektionsrate von 0,7 %.
Nach der Analyse von Graham hat B.1.1.7 den R-Wert um 35 % erhöht. Erkennbar war auch, dass der 3. nationale Lockdown ab dem 5. Januar (vermutlich in Kombination mit der steigenden Impfquote) die Infektionswelle trotz B.1.1.7 gebrochen hat. Die 7-Tage-Inzidenz ist in Großbritannien auf unter 30 gesunken. Der Lockdown konnte Anfang der Woche beendet werden.
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