Medizin

Schon geringe Mengen Alkohol scheinen das Demenzrisiko zu erhöhen

  • Mittwoch, 24. September 2025
/U. J. Alexander, stock.adobe.com
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Oxford – Schon geringe Mengen Alkohol erhöhen das Demenzrisiko. Die Ergebnisse von 2 großen Kohortenstudien mit über einer halben Million Teilnehmenden wurden im Fachmagazin BMJ Evidence Based Medicine (2025; DOI: 10.1136/ bmjebm-2025-113913) publiziert.

Das Team um Anya Topiwala vom Big Data Institute an der Universität Oxford hat die Daten des US Million Veteran Programme und der UK Biobank ausgewertet. In beiden Studien waren zusammen 559.559 Teilnehmende im Alter von 56 bis 72 Jahren nach ihrem Alkoholkonsum befragt worden.

In einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 4 Jahren in der US-Kohorte und von 12 Jahren in der britischen Kohorte sind 14.540 an einer Demenz erkrankt und 48.034 gestorben.

Im Vergleich zu Menschen, die keinen Alkohol oder weniger als 7 alkoholische Getränke in der Woche konsumierten, waren 7 bis 14 Getränke in der „UK Biobank“ mit einem um 9 % niedrigeren Demenzrisiko assoziiert (Hazard Ratio 0,91; 95-%-Konfidenzintervall [0,84; 1,08] assoziiert.

In der Kohorte des „US Million Veteran Programme“ war das Demenzrisiko um 6 % vermindert (Hazard Ratio 0,94 [0,84; 1,06]. Bei einem höheren Alkoholkonsum stieg die Hazard Ratio wieder an auf 1,30 [1,06; 1,58] in der „UK Biobank“ und auf 1,61 [1,22; 2,14] im „US Million Veteran Programme“ bei einem Konsum von mehr als 40 Getränken pro Woche. Diese Ergebnisse deuten auf eine präventive Wirkung eines mäßigen Alkoholkonsums hin.

Eine Mendelsche Randomisierung kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Bei dieser Untersuchung bildet nicht der angegebene Konsum die Grundlage der Berechnungen, sondern die mit dem Konsum verbundenen genetischen Varianten. Diese wurden in genomweiten Assoziationsstudien durch Analysen in den Blutproben ermittelt, die die Teilnehmensden zu Beginn der beiden Studien abgegeben hatten.

64 Single Nucleotide Polymorphism (SNP, deutsch: Einzelnukleotid-Polymorphismus) waren dort mit dem wöchentlichen Konsum, 80 SNP mit einem „riskanten“ Trinken und 66 SNP mit einer Alkoholabhängigkeit (AUD) assoziiert.

Aus den SNP lässt sich ein genetischer Risikoscore ermitteln. Er war in allen 3 Fällen mit einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert – ohne Hinweis auf eine protektive Wirkung bei einem geringen Konsum oder wenigstens einem Schwellenwert für einen unbedenklichen Konsum.

Topiwala ermittelt eine lineare Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Demenzrisiko: Jeder Anstieg des wöchentlichen Konsums um eine Standardabweichung erhöhte das Demenzrisiko um 15 % (Odds Ratio 1,15 [1,03; 1,27]). Ein zweifacher Anstieg der AUD-Prävalenz war mit einem Anstieg des Demenzrisikos um 16 % assoziiert (Odds Ratio 1,16 [1,03; 1,30]).

Der Widerspruch zwischen der ersten konventionellen Analyse und der Mendelschen Randomisierung löst sich auf, wenn der Konsum in den Jahren vor der Demenz betrachtet wurde. Je näher die Diagnose rückte, desto weniger Alkohol tranken die Personen. Diese Abnahme kann in epidemiologischen Studien fälschlicherweise als präventive Wirkung gedeutet werden, was auch als reverse Kausalität bezeichnet wird.

Bei der Mendelschen Randomisierung ist das Risiko einer solchen Verzerrung geringer. Doch nicht alle Statistiker trauen dieser Methode. Der Emeritus David Spiegelhalter von der University of Cambridge meinte gegenüber dem britischen Science Media Center, die Aussage der Autoren, dass „die genetische Analyse ein linear zunehmendes Demenzrisiko mit erhöhter Alkoholaufnahme zeige“, sei falsch.

Die Assoziation betreffe allein den genetisch vorhergesagten Alkoholkonsum, der tatsächliche Alkoholkonsum sei nicht Teil dieser Analyse. Und viele der genetischen Vorhersagen würden auf nicht überprüfbaren Annahmen beruhen, so Spiegelhalter.

Tara Spires-Jones von der Universität Edinburgh, die auch am UK Dementia Research Institute in London tätig ist, sieht ebenfalls Einschränkungen, da letztlich auch die genetische Analyse auf den Angaben zum Alkoholkonsum beruhen, die nicht immer stimmen müssen.

Die Mendelsche Randomisierung würde jedoch die Ergebnisse anderer Studien bestätigen, die eine klare Verbindung zwischen dem Alkoholkonsum und einem erhöhten Demenzrisiko aufgezeigt hätten. Auch die Ergebnisse der Grundlagenforschung würden zeigen, dass Alkohol für Neuronen im Gehirn toxisch sei.

rme

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