Medizin

Schwerer COVID-19 Verlauf: Unter 80 Jahren sind Krebs, Demenz und Herzinsuffizienz stärkere Faktoren als das Alter

  • Mittwoch, 28. April 2021
/picture alliance, Universitätsklinikum Tübingen, Tobias Wuntke
/picture alliance, Universitätsklinikum Tübingen, Tobias Wuntke

Berlin – Fast ein Drittel aller Patienten, die wegen einer hämato-onkologischen Erkrankung in ärztlicher Behandlung sind, erkranken bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 so schwer an COVID-19, dass sie inten­sivmedizinisch behandelt werden müssen oder sogar versterben.

Dies kam in einer Analyse von Versichertendaten heraus, die in der kommenden Ausgabe des Epidemio­lo­gischen Bulletins (2021; 19: 3-12) veröffentlicht wird. Bei insgesamt 5 Erkrankungen war das Risiko auf einen schweren Verlauf höher als in der Altersgruppe der 75- bis 79-Jährigen, die derzeit bei den Impfungen priorisiert wird.

Die Coronavirusimpfverordnung (CoronaImpfV) sieht vor, dass Personen, die ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche COVID-19-Verläufe haben oder beruflich besonders exponiert sind, als erste geimpft werden sollen.

Die derzeitigen Empfehlungen basieren dabei überwiegend auf internationalen Studien, die nicht unbe­dingt die Situation in Deutschland widerspiegeln.

Ein Team um Stefan Scholz vom Robert-Koch-Institut hat deshalb die Daten von 4 Krankenversicherern (AOK Bayern, AOK Plus Sachsen und Thüringen, Barmer, DAK-Gesundheit) und von der Mehrzahl der Betriebskrankenkassen (BKK) ausgewertet, bei denen mehr als 30 Millionen Personen in Deutschland versichert sind.

Von 93.857 Personen mit dokumentierter COVID-19 mussten 4.728 wegen einer schweren COVID-19 intensivmedizinisch behandelt werden, einschließlich Beatmung und/oder Todesfall. Dies entspricht einem Anteil von 5 %, der allerdings in einigen Risikogruppen höher deutlich war.

Von den Patienten, die wegen hämato-onkologischer Erkrankungen in Behandlung waren, erkrankten 31,5 % (95-%-Konfidenzintervall 26,5 % bis 37,2 %) schwer an COVID-19 oder verstarben.

An zweiter Stelle standen Patienten mit metastasierenden, soliden onkologischen Erkrankungen (Anteil 28,2 %; 23,7 % bis 35,3 %). Es folgten auf den Rängen 3 (Patienten mit Demenz), 4 (aktuell nicht in Be­handlung befindliche Personen mit metastasierendem Krebs) und 5 (Patienten mit Herzinsuffizienz).

Erst auf Rang 6 befanden sich Personen, die durch ein Alter zwischen 75 und 79 Jahren ein erhöhtes Ri­siko auf eine schwere Erkrankung haben (Anteil: 19,8 %; 15,6 % bis 24,8 %).

Weitere relevante Risikofak­toren waren Dialyse (Rang 7), aktuell behandelte, solide, nicht-metastasierte Tumore (Rang 8), chronische Lebererkrankungen mit Zirrhose (Rang 9), Down-Syndrom (Rang 10), chro­nische Nierenerkrankungen (Rang 11), Zustand nach Organtransplantationen (Rang 12). Erst auf Rang 13 folgten Personen im Alter von 70 bis 74 Jahren.

Es folgen Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungen (Rang 14) und Herzrhythmusstörungen/Vor­hoff­lim­m­ern (Rang 15) vor Personen vom Alter von 65 bis 60 Jahren. Die Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen folgte mit einem Anteil der schweren Erkrankungen von 3,9 % erst auf Rang 24.

Eine bevorzugte Bewertung des Alters allein in der Impfreihenfolge greift deshalb nach Ansicht von Scholz und Mitarbeitern zu kurz. Die Ärzte sollten bei ihren Impfungen auch die Begleiterkrankungen be­rücksichtigen, schreiben sie. Die dargestellte Rangfolge biete eine evidenzbasierte und praxistaugliche Orientierungsmöglichkeit für eine mögliche Aktualisierung der bestehenden Impfrangfolge, die auch im niedergelassenen Bereich ein­fach umgesetzt werden könne.

rme

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