Medizin

Studie: Neandertaler hatten eine niedrigere Schmerzschwelle

  • Freitag, 24. Juli 2020
/procy_ab, stock.adobe.com
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Leipzig – Menschen mit einer bestimmten Genvariante des Neandertalers sind schmerz­empfindlicher als andere. Darauf deutet eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und des Karolinska-Insti­tut in Schweden hin, wie die Forscher mitteilten. Sie ist in Current Biology (2020, DOI: 10.1016/j.cub.2020.06.045) erschienen.

Hintergrund sind neue Erkenntnisse über die Neandertalervariante eines speziellen Io­nen­kanals in Nervenzellen. Ein solcher Ionenkanal spielt eine Schlüsselrolle beim Auslö­sen des elektrischen Schmerzimpulses, der an das Gehirn übertragen wird.

Anhand von Daten aus einer umfangreichen Bevölkerungsstudie in Großbritannien zeigen die Studienautoren nun, dass Menschen mit der Neandertalervariante des Ionenkanals mehr Schmerzen empfinden. Die entsprechende Genvariante erbten demnach insbeson­dere Menschen aus Mittel- und Südamerika, aber auch in Europa.

„Wie viel Schmerzen Menschen empfinden, ist vor allem von ihrem Alter abhängig“, erläu­terte der Erstautor Hugo Zeberg, Forscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre An­thro­pologie und am Karolinska-Institut. „Menschen, die die Neandertalervariante des Ionenkanals haben, empfinden mehr Schmerzen – in etwa so, als wären sie acht Jahre

älter.“

Dem Wissenschaftler zufolge weist die Neandertalervariante des Ionenkanals drei Amino­säureunterschiede zu der üblichen „modernen“ Variante auf. „Während einzelne Amino­säu­resubstitutionen die Funktion des Ionenkanals nicht beeinträchtigen, führt die voll­ständige Neandertalervariante mit drei Aminosäuresubstitutionen bei heute lebenden Menschen zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit.“

Auf molekularer Ebene wird der Neandertalerionenkanal demnach leichter aktiviert. Das könnte erklären, warum Menschen, die diesen geerbt haben, eine niedrigere Schmerz­grenze haben.

„Ob Neandertaler mehr Schmerzen empfunden haben, ist allerdings schwer zu sagen, weil Schmerz außerdem sowohl im Rückenmark als auch im Gehirn moduliert wird“, erklärte Svante Pääbo von der Leipziger Forschungseinrichtung.

Aber die Arbeit zeige, dass die Schwelle zur Auslösung von Schmerzimpulsen bei Nean­dertalern niedriger gewesen sei als bei den meisten heute lebenden Menschen, fügte Pääbo hinzu.

afp

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