T-Zellen gegen saisonale Coronaviren erkennen auch SARS-CoV-2

Berlin – T-Zellen können nach Kontakt zu saisonalen humanen Coronaviren auch Strukturen des SARS-CoV-2-Virus erkennen. Das legt eine Studie der Universitätsklinik Tübingen nahe, die Mitte Juni als Vorveröffentlichung erschienen ist (DOI: 10.21203/rs.3.rs-35331/v1). Eine Immunität gegen SARS-CoV-2 geht damit nicht einher.
Vorangegangene Arbeiten mit SARS-CoV-1 hätten gezeigt, dass eine antikörpervermittelte Immunität nur von kurzer Dauer sei, schreiben die Autoren. Der zellulären Immunantwort käme daher wahrscheinlich auch bei SARS-CoV-2 eine große Bedeutung zu. Neuere Studien ließen zudem eine Kreuzreaktivität von T-Zellen vermuten.
Die Wissenschaftler identifizierten nun erstmals 120 virale Peptidketten aus dem Genom von SARS-CoV-2, deren Präsentation an HLA-Rezeptoren eine T-Zell-Immunantwort auslösten, sogenannte Epitope.
Die Forscher verglichen dafür Blutproben von 180 Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion ohne stationäre Behandlung durchgemacht hatten, mit 185 Blutproben aus der Zeit vor der Pandemie.
Aus der Vielzahl der erkannten Epitope stellten sie 2 unterschiedliche Kompositionen zusammen. Die erste dieser Gruppen enthielt SARS-CoV-2-spezifische Epitope, die nur von T-Zellen erkannt wurden, die bereits Kontakt zu SARS-CoV-2 gehabt hatten.
Eine zweite Epitop-Komposition enthielt ausschließlich kreuzreaktive Peptidketten von SARS-CoV-2, die also auch von vorher nicht exponierten T-Zellen erkannt wurden. Einige davon zeigten Ähnlichkeiten mit Epitopen von 4 anderen humanen Coronaviren (HCoV-OC43, HCoV-229E, HCoV-NL63 und HCoV- HKU1).
Die Proben von Personen, die vorher an COVID-19 erkrankt waren, zeigten zu 100 % eine CD4- oder CD8-T-Zell-Antwort auf wenigstens eine der beiden Kompositionen.
Unter den nicht exponierten Proben zeigten 81 % eine T-Zell-Antwort auf die kreuzreaktive Epitopkomposition. Sie fiel geringer aus als bei den vorher exponierten Proben. Die SARS-CoV-2-spezifische Komposition löste hier keine Immunreaktion aus.
Die Forscher konnten darüber hinaus zeigen, dass die Intensität der T-Zell-Reaktion nicht mit der Schwere der COVID-19-Erkrankung korrelierte, wie es bei Antikörperreaktionen bekannt ist. Hingegen wurde beobachtet, dass die Diversität der Epitope, auf die die T-Zellen anspringen, einen Einfluss hat.
Je weniger SARS-CoV-2-Epitope also durch die T-Zellen erkannt wurden, desto schwerer war der COVID-19-Verlauf der Patienten, schlossen die Autoren.
Wie sich diese kreuzreaktive T-Zell-Erkennung in 81 Prozent der Bevölkerung auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 sowie auf die Schwere der Erkrankung auswirkt, wird die Forschergruppe nun in weiteren Studien prospektiv untersuchen.
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