Medizin

Warum Neugeborene anfälliger für Krankheitserreger sind

  • Mittwoch, 24. August 2022

Der Uterus ist eine keimfreie Umgebung. Der Fötus hat keinerlei Kontakt zu Krankheitserregern. Dies ändert sich schlagartig nach der Eröffnung der Fruchtblase. Schon auf dem Weg durch den engen Geburtskanal erhält das Neugeborene seine erste Dosis Bakterien und Pilze (was durchaus ein Vorteil ist, wie die geringere Neigung zu Allergien gegenüber per Kaiserschnitt entbundenen Kindern zeigt). Die Keime gelangen auch in den Mundraum, einige werden sofort oder später verschluckt. Sie gelangen in den Darm und bilden dort den Grundstock für die Darmflora, die später die Verdauung unterstützt und den Menschen mit lebenswichtigen Vitaminen versorgt.

Neue Untersuchungen zeigen nun, dass das Neugeborene auf den plötzlichen Kontakt mit den Mikroorganismen vorbereitet ist. Allerdings nicht, wie man annehmen könnte durch eine gesteigerte Immunantwort. Im Gegenteil: Die Aktivität der Immunzelle wird heruntergefahren, wie Sing Sing Way vom Cincinnati Children’s Hospital Medical Center in Experimenten an Mäusen zeigen kann.

Way wollte den sechs Tage alten Wurf von Mäusen vor Infektionen schützten, indem er ihnen Immunzellen von erwachsenen Tieren transplantierte. Der Versuch misslang, die Immunzellen wurden bei den neugeborenen Mäusen einfach ausgeschaltet. Die Immunzellen der neugeborenen Mäuse konnten dagegen angeschaltet werden, wenn sie in den Organismus der erwachsenen Tiere transferiert wurden. Den Schalter entdeckten die Forscher schließlich in Vorläuferzellen von roten Blutzellen, die durch den Oberflächenmarker CD71 gekennzeichnet sind. Diese Zellen produzieren bei Neugebornen das Enzym Arginase-2, das eine immunsupprimierende Wirkung hat.

Die Entfernung der CD71-positiven Zellen, die Way als nächstes versuchte, war allerdings auch keine gute Idee. Jetzt erkrankten die neugeborenen Mäuse an einer heftigen intestinalen Entzündung. Die Deutung der Experimente ist einfach. Neugeborene benötigen die Immun­suppression, um sich mit der Darmflora anzufreunden. Der Nachteil besteht in einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern. Diese Phase ist jedoch vorübergehend. In den ersten Lebensmonaten entwickelt sich eine Immuntoleranz gegenüber den Darmbakterien. Die Immunsuppression wird zurückgefahren und die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern vermindert sich wieder.

dae

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