Medizin

Wenn nach dem Krebs der Diabetes kommt: CIADM durch Checkpoint-Inhibitoren

  • Freitag, 18. Juli 2025
/Gina Sanders, stock.adobe.com
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Berlin/Tübingen – Checkpoint-Inhibitoren haben die Krebstherapie in den vergangenen 10 Jahren grundlegend verändert. Sie aktivieren die Immunabwehr gegen Tumoren, bringen jedoch auch teils schwere endokrinologische Nebenwirkungen mit sich.

Dazu gehört neben Funktionsstörungen der Schilddrüse oder der Hirnanhangdrüse auch der Checkpoint-Inhibitor-assoziierte Diabetes mellitus (CIADM). Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) fordern deshalb eine bessere Versorgung dieser Patientengruppe.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Fachgesellschaften betonte Andreas Fritsche, Past-Präsident der DDG und Diabetologe am Universitätsklinikum Tübingen, wie wichtig es sei, während der Krebsbehandlung regelmäßig zu screenen und den CIADM frühzeitig zu erkennen.

Fritsche ging einleitend auf die Funktionsweise der Checkpoint-Inhibitoren ein, zu denen etwa die Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab sowie Durvalumab und Atezolizumab gehören.

Krebszellen sendeten Signale in Form von Oberflächenmolekülen aus, die das Immunsystem bremsten. „Damit schützen sich Krebszellen vor der Zerstörung durch das körpereigene Immunsystem“, so Fritsche.

Checkpoint-Inhibitoren blockierten diese Signale oder Oberflächenmoleküle und aktivierten dadurch die Immunabwehr, „das körpereigene Immunsystem mit seinen T-Zellen kann die Krebszellen wieder vernichten“. Auf diese Weise könnten Checkpoint-Inhibitoren fortgeschrittene Tumore zurückdrängen, darunter schwarzen Hautkrebs oder Nierenzellkrebs.

Teils schwere endokrinologische Nebenwirkungen

Durch die Aktivierung des Immunsystems könne es aber zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems kommen, was zu einer Zerstörung von gesunden Körperzellen führe – ähnlich wie bei Autoimmunerkrankungen. Derartige Nebenwirkungen seien häufig und würden „Immune-related Adverse Events of immune checkpoint inhibitors“ (irAE) genannt.

Fritsche zählte auf, dass die irAE Körperzellen aus allen Geweben des Körpers betreffen, also Herz, Darm, Leber, Gehirn, Haut und weitere. „In bis zu 40 % der Fälle sind hormonbildende Organe wie Schilddrüse, Hirnanhangsdrüse oder die Nebennieren betroffen“, hob Fritsche hervor.

In der Folge komme es zu schweren Über- und Unterfunktionen der Hormondrüsen und auch zu autoimmunen Entzündungen der gesamten Bauchspeicheldrüse sowie speziell der Insulin-produzierenden Betazellen.

„Dies führt bei 1-2 % der Betroffenen zu einem Checkpoint-Inhibitor-assoziierten Autoimmun-Diabetes-Mellitus oder CIADM“, so Fritsche. Die Erkrankung wird auch „Immune checkpoint-inhibitor-induced diabetes mellitus“ (CPI-DM) genannt.

Ketoazidose beim CIADM häufig

Der CIADM unterscheide sich grundlegend von anderen Diabetesformen, betonte Fritsche: „CIADM darf keinesfalls mit einem vorbestehenden Typ-2-Diabetes verwechselt werden.“

Typisch sei ein vollständiger Insulinmangel, der ähnlich wie beim Typ-1-Diabetes eine Basal-Bolus-Insulintherapie erfordere. „Nur eine intensive Insulintherapie mit Schulung und Begleitung kann hier Leben retten“, so Fritsche. Zudem sei der CIADM nicht reversibel: „Die Betazellen erholen sich nicht“, so der Diabetologe.

Besondere Gefahr gehe von der häufig auftretenden Ketoazidose aus, einer potenziell lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung. Der CIADM trete meist innerhalb von 12 Wochen nach Beginn der Immuntherapie auf. „Deshalb muss während der Behandlung regelmäßig der Blutzucker kontrolliert werden“, mahnte Fritsche.

Mehr endokrinologisch-diabetologische Kompetenz gefordert

Ein Problem sei, dass es in Deutschland bislang keine flächendeckenden Daten zur Häufigkeit dieser Nebenwirkungen gebe. Schätzungen zufolge entwickeln bis zu 17 % der Behandelten eine Hypophysitis, also eine Entzündung der Hirnanhangdrüse, 1-2 % einen CIADM. Hinzu kommen Schilddrüsenfehlfunktionen, die teilweise in Kombination auftreten.

Jedes Krebszentrum eines Krankenhauses brauche eine Diabetes-Unit, um diese schwer erkrankten Patientinnen und Patienten zu behandeln, schloss Fritsche: „Sie haben nicht nur einen Typ-1-Diabetes mit häufiger Ketoazidose, sondern sind durch ihre Krebserkrankung multimorbid und eingeschränkt und meist in fortgeschrittenem Lebensalter.“ Der Aufbau entsprechender Versorgungsstrukturen müsse daher Teil der aktuellen Krankenhausreform sein.

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